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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer lässigen Bewegung ließ er das Schlüsselkettchen zu ihr hinüberpendeln. Als Isabella zugriff, zog er an, und sie stolperte in seine Arme. »Pater!«, entfuhr es ihr vor Schreck. »Was tut Ihr?«
    »Sollten wir nicht zusammenarbeiten? Hand in Hand sozusagen?« Er hielt sie sanft fest, und Isabella empfand seine Arme nicht als unangenehm, obwohl er sie überrumpelt hatte.
    »Ich erzähle Euch«, sagte er sanft über ihren Kopf hinweg, »was es mit den Custodes Domini auf sich hat, den Wächtern des Herrn, und Ihr zeigt mir den Weg zur Handschrift.«
    Isabella überlegte kurz, ob sie auf den Handel eingehen sollte. Padre Antonios Arme, die sie noch immer umschlangen, verwirrten sie. Schließlich legte sie ihren Kopf auf seine Brust. »Wir arbeiten zusammen«, flüsterte sie. »Doch es muss heißen Custodes Dominae , die Wächter – oder genauer: die Wächterinnen – der Herrin!«

KAPITEL 40 Padre Antonio wischte sich mit dem Ärmel der Soutane den Schweiß von der Stirn. Sie hatten Suor Ablata auf ihre Pritsche gebettet. Er hasste körperliche Anstrengung, und wenn ihm ein Grund einfiel, weshalb er Geistlicher und nicht Schmied oder Steinmetz geworden war, dann der, dass man als Priester nur spirituelle Lasten zu tragen hatte.
    »Ich hoffe, es hat sich gelohnt!«, knurrte er Isabella an, die ein mit Spelzen gefülltes Kissen unter den Kopf der Alten schob. Isabella sah ihn an. In ihren Augen stand ein Vorwurf, der ihn sofort verstummen ließ. Natürlich wunderte er sich, warum die Alte nicht mehr erwachte, warum sie nur hin und wieder stöhnte und schlechten Atem durch ihren zahnlosen Mund ausstieß. Außerdem konnte er sich nicht vorwerfen, ihr etwas angetan zu haben. Er hatte die Neumenhandschrift nicht aus dem Chor entfernt.
    Mit einem besorgten Blick zurück entschied Isabella, die alte Nonne sich selbst zu überlassen. »Ihr wird schon nichts zustoßen«, murmelte sie.
    »Sie hat ihr Leben gelebt«, beruhigte sie Padre Antonio. »Lasst sie den Weg zum Herrn einschlagen, wenn sie es denn will. Es ist nicht der schlechteste.«
    Wütend drehte sich Isabella zu ihm um, musterte ihn einmal von oben bis unten und stapfte dann voran.
    Sie gingen den Weg wieder zurück. Der Pater folgte Isabella auf dem Fuße. Padre Antonio kannte das Ziel nicht; Isabella hatte nur angedeutet, sie kenne den Aufenthaltsort des Buches. Der Geistliche beobachtete, wie selbstsicher und elegant die junge Frau lief; eine Person, begabt mit einem eigenen Willen, keine dieser verschreckten, vor Sündenfurcht und Höllenangst in sich gekehrten Gestalten, die sonst die Klöster bevölkerten. Für einen Moment überlegte er sich, ob dies nicht eine Ehefrau war, wie er sie sich unter anderen Umständen gewünscht hätte: intelligent, zielstrebig, selbstbewusst. Doch dann musste er verneinen. Sie besaß zu wenig Demut, zu wenig Hingabe.
    Sie waren in den Korridor eingebogen, der vom Chorzugang in die entgegengesetzte Richtung wegführte, waren ihm gefolgt und hatten einen mächtigen Wäscheschrank erreicht, als die Konventsglocke durch das Gebäude hallte. Eine hohes, helles Bimmeln, das an den Nerven zerrte. Die Glocke rief in den Kapitelsaal, und ihrem Drängen nach zu urteilen, schien es wichtigzu sein. Das anhaltende Läuten rief nicht nur die Nonnen, sondern ebenso Conversas und Educandas in den Saal, obwohl die Mitglieder des Konvents, die keine Gelübde abgelegt hatten, sonst nicht den allgemeinen Versammlungen beiwohnen durften.
    Isabella drehte sich zu Padre Antonio um. »Ich muss dem Ruf der Glocke folgen. Begleitet Ihr mich?«
    »Wir wollten doch ... «, warf er ein, doch Isabella schüttelte den Kopf. Sie war sich selbst nicht sicher, ob sie zu den Geladenen gehörte oder nicht. Immerhin hatte die Äbtissin ihr ausdrücklich befohlen, bis zur Vesper in ihrer Zelle zu bleiben. Andererseits, wenn der Ruf zu dieser Versammlung vom Patriarchen ausging, wie zu vermuten war, dann überwog dies vermutlich das Wort der Äbtissin.
    Aus den Türen den Gang entlang traten Nonnen. Einige rieben sich die Augen, hatten also wohl eher Mittagsschlaf gehalten, als zu beten. Isabella trat das Bild der alten Suor Ablata in ihrer Zelle vor Augen, und das gab für sie den Ausschlag.
    »Wenn der Glockenton Suor Ablata weckt, vermisst sie den Schlüssel«, zischte sie. »Wenn wir bei der Versammlung fehlen, könnte man uns diesen Umstand anlasten – oder zumindest mir. So kann es sein, dass sie ihn verloren hat. Sie vergisst und verliert ständig

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