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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein Gefühl hatte ihn dazu verleitet, dies zu sagen, ausgelöst vom Gespräch mit dem Alten in der Bibliothek und von dem wachsenden Eindruck, dass die Priorin mehr wusste, als sie zugab. Doch er hatte offensichtlich einen wunden Punkt getroffen.
    Langsam setzte sich Signora Artella, ohne ihn aus den Augen zu lassen. In dem riesigen schwarzledernen Stuhl, der ihr kurz zuvor noch den Rücken gestützt und sie würdiger hatte erscheinen lassen, schien sie auf einmal zusammenzuschrumpfen.
    »Woher wisst Ihr davon?«
    »Ich habe es nur vermutet«, antwortete der Pater, »doch Ihr habt es mir jetzt bestätigt.«
    Padre Antonio fühlte, wie es die Priorin schmerzen musste, so über den Tisch gezogen worden zu sein. Ihre Stimme klang eine Spur verärgert, als sie antwortete.
    »Was geht es Euch an? Unser Orden besitzt das Recht, seine Einkünfte selbst zu verwalten. Ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig.«
    Der Pater legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander, als müsse er ein schnelles Gebet sprechen. Dabei galt es nur, seine Ungeduld zu bezähmen, jetzt, da er eine Bresche in die Mauer des Widerstands geschlagen hatte.
    »Ihr seid mir in der Tat keine Rechenschaft schuldig, Suor Artella. Was mich allerdings nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass nach dem Tod der beiden Frauen und nach dem Tod der jungen Contarini niemand mehr etwas vom Verbleib der Gelder weiß – außer Euch, ehrwürdige Mutter. Sie sind dem Klostervermögen entzogen worden und liegen auf Konten, auf die das Kloster keinen Zugriff besitzt. So gesehen, müsst Ihr sehr wohl Rede und Antwort stehen, ob Ihr Geld veruntreut habt.«
    Ein Lächeln zuckte um Signora Artellas Mundwinkel und warebenso schnell wieder verflogen. Auf diesem Feld fühlte sie sich anscheinend sicher.
    »Ihr täuscht Euch, Pater. Die Familie Contarini steht seit jeher in einem engen Verhältnis zu San Lorenzo. Sollten Nonnen des Klosters dort privates Vermögen deponiert haben, dann weiß das Kloster davon, und das Geld würde mit ihrem Ableben als Erbschaft in den Besitz des Klosters übergehen. Ich weiß also nicht, was Euch dazu veranlasst, mir Dinge zu unterstellen, die meinen Amtspflichten zuwiderlaufen.«
    Jetzt war es Signora Artella, die sich wieder aufrichtete und die Fingerspitzen aneinanderlegte. Padre Antonio war irritiert. Hatte er sich auf eine falsche Fährte locken lassen? Doch wer garantierte, dass das, was die Priorin ihm hier erklärte, der Wahrheit entsprach? Mit völlig ausdrucklosem Gesicht und in einem Ton, der nicht verriet, dass er alarmiert war, überlegte er laut weiter: »Aber was wäre, wenn nicht das Kloster als Erbe eines privaten Vermögens eingesetzt wurde, das bei der Familie Contarini hinterlegt wurde, sondern jemand anders? Zum Beipiel eine geliebte Nichte? Sie wird das Geld ihrer Tante doch erhalten, oder täusche ich mich da? Da es dem Kloster nicht gelingt, es hinter die Mauern zu bringen, muss man die Erbin des Vermögens einfangen. Nachdem diese das Geld angefordert hat, kann sie getrost verschwinden. Niemand trauert einer Nonne nach, die hinter die Mauern von San Lorenzo abgeschoben worden ist.« Der Pater beugte sich nach vorn, sodass er leicht in die Tischplatte hineinragte. »Deshalb glaube ich, dass Isabella Marosini in großer Gefahr schwebt, wenn sie nicht bereits ebenfalls tot ist.«
    Signora Artella hieb mit ihrer knochigen Hand auf den Tisch, dass die Staubkörnchen im Sonnenlicht tanzten.
    »Jetzt geht Ihr zu weit, Pater! Wollt Ihr mir und dem Konvent unterstellen, die Nonnen und das Mädchen getötet zu haben? Aus Geldgier?«
    Jetzt hatte er sie da, wo er sie haben wollte. Die Chornonne waraußer sich. Auch wenn es tatsächlich nur eine Unterstellung war, so erfüllte sie doch ihren eigentlichen Zweck. Alles andere war nur Vorgeplänkel gewesen. Jetzt galt es zuzuschlagen. »Was sind die Custodes Dominae?«
    Die Frage hing im Raum, und Signora Artella sah ihr nach, als hätte sie Flügel bekommen und würde damit durch das Zimmern flattern wie ein Schmetterling, der für den Augenblick seines Erscheinens alles verändert.
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, dass diese Gelder, nachdem niemand mehr Anspruch auf sie erhebt, einer Organisation zugute kommen, die sich ganz anderen Zielen verschrieben hat. Von diesen Zielen möchte ich gerne hören, Suor Artella.« Der Pater beugte sich nach vorne. »Hier und jetzt.«

KAPITEL 48 Isabella und Suor Anna schlichen auf leisen Sohlen das schiefwinklige

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