Die Botschaft Der Novizin
Moment ging die Tür auf.
»Signora Artella, wer soll schon in diesen Mauern gewesen sein?«, hörten sie eine zweifelnde Stimme. Isabella kannte sie nicht.
»Wenn wir den Leichnam jetzt waschen, müssen wir auf Zeichen achten. Vor allem auf die Zeichen des Teufels!« Signora Artella, die Isabella bei der Äbtissin kennengelernt hatte, seufzte. »Man sollte keine Bürgerlichen in ein solches Kloster aufnehmen. Sie verursachen nur Ärger.«
»Ihr sagt es«, pflichtete die unbekannte Nonne bei. »Wie dieses neue Gör, die Nichte von Suor Francesca!«
»Sie wird sich an diese Mauern gewöhnen müssen. Intelligent wirkt sie. Eines Tages wird sie womöglich in unsere Fußstapfen treten. Auch wenn sie noch glaubt, sie sei nur Pensionatsschülerin.« Signora Artella lachte trocken. »Habt Ihr die Schwestern verständigt?«
»Sie müssen jeden Augenblick kommen. Ich glaube, ich höre sie bereits. Bevor sie da sind, ein letztes Wort, Signora Artella.
Ihr glaubt also nicht, dass sie sich selbst ... ich meine, mit eigener Hand ... entleibt hat?«
»Das sieht ein Blinder, Suor Cecilia. Oder habt Ihr Euch schon einmal erdrosselt und dann den Strick wieder verräumt?«
Die so Gescholtene erwiderte nichts.
Isabella dagegen musste mit offenem Mund tief einatmen, damit sie sich nicht durch Schreie verriet. Was die Schwester hier gesagt hatte, war ungeheuerlich.
Die beiden Frauen warteten offenbar, bis die anderen Nonnen eintrafen.
»Was macht Ihr hier? Das geht Euch nichts an!«, zischte plötzlich Signora Artella, und man hörte ihre Holzschuhe auf dem Terrazzoboden klacken. »Verschwindet!« Die Tür schlug zu. Suor Maria näherte ihren Mund dem Ohr Isabellas. »Das war unsere Novizin, die Contarini«, flüsterte sie. »Sie schleicht durchs Haus und taucht überall dort auf, wo man sie nicht brauchen kann.«
Kurz darauf betraten weitere Chornonnen den Raum, nahmen den Sarg auf und trugen ihn aus der Kapelle hinaus. Erst als die Tür hinter ihnen zufiel, krochen Suor Maria und Isabella aus ihrem Versteck. Gegenseitig klopften sie sich den Staub aus den Kutten.
»Wohin bringen sie meine Tante?«, fragte Isabella und starrte auf die geschlossene Tür.
»In den Krankensaal. Dort gibt es einen Steintisch, auf dem Tote gewaschen werden können. Die Begleiterin der Signora war unsere Schwester Apothekerin. Sie ist Ärztin und Baderin in einer Person. Sie werden sicher wieder der Contarini begegnen.«
»Was ist mit ihr?«, fragte Isabella.
»Sie kann sich nicht an den Gedanken gewöhnen, ihr Leben hinter diesen Mauern zu verbringen. Es wird ihr jedoch nichts weiter übrig bleiben. Sie ist ... «, Suor Maria zögerte, »... sie hat die Fallsucht. Damit ist sie für die Familie unbrauchbar geworden.Wer will schon eine Gemahlin, von der jeder weiß, dass sie keine gesunden Kinder zur Welt bringen kann?«
Isabella verschränkte die Arme ineinander, hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu. Dabei berührten ihre Finger sowohl den Brief als auch den Knopf, den sie bei der Tante gefunden hatte. Nach allem, was die beiden Nonnen miteinander geredet hatten, war Suor Francesca keines natürlichen Todes gestorben oder hatte sich gar selbst das Leben genommen. Sie sah Suor Maria tief in die Augen. Verlegen blickte diese beiseite. »Ihr habt mir etwas zu erzählen«, flüsterte sie nur. Außerdem musste sie unbedingt den Brief lesen und diesen Knopf genauer betrachten, jedoch allein. Dafür brauchte sie Ruhe. Dann schlichen sich die beiden Frauen aus der Kapelle.
»Zu gegebener Zeit«, antwortete Suor Maria und zog sie hinter sich her.
KAPITEL 5 Die Lage des Bischofspalasts ließ keinen Fußmarsch nach San Lorenzo zu. Padre Antonio musste zähneknirschend wieder in ein Boot steigen, um in die Nähe des Klosters zu gelangen. Mit dem Patriarchen hatte er sich für den nächsten Tag verabredet. Nach dem Gottesdienst zur Prim, dem Gebet zur ersten Tagesstunde, wollten sie dem Kloster einen Besuch abstatten. Doch zuvor mussten die Provveditori der Stadtregierung benachrichtigt werden. Auch sie bestanden darauf, einen Inspektor zu stellen. Man hatte dem in Rom zugestimmt.
Padre Antonio versuchte, all diese formalen Dinge zu verdrängen. Ihn interessierte etwas anderes. Obwohl ihm durch das Schaukeln des Bootes das Frühstück beinahe auf Höhe der Unterlippe schwamm und sich in seinem Kopf ein einziger Nebel auszubreiten begann, der seine Gedanken zum Erliegen brachte, versuchte er einen Eindruck von dieser Stadt zu gewinnen.
Sie glitten am
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