Die Botschaft Der Novizin
Arsenale entlang. Ein Geruch nach Teer und frischemHolz, nach Feuer und Metall, nach Pulver und Schweiß lag in der Luft. Hinter den Mauern, die das Gebiet umgaben, hörte man die hellen Hammerschläge der Schmiede und die dumpfen der Kalfaterer. Eine Trommel schlug einen Wirbel, und Padre Antonio glaubte, im nächsten Moment müsste ein Schiff durch die hohen Mauern brechen.
»Was bedeutet das?«, fragte er den Schiffsführer.
»Sie lassen die Galeotti üben. In einer Rudermaschine. Es erfordert genauen Gleichklang, einhundertvierzehn Riemen, jeweils besetzt mit drei Mann, im Takt zu bewegen. Sechs Wochen dauert eine Ausbildung.«
Vor seinem inneren Auge ließ der Pater die Männer erstehen, die an den überlangen Ruderpinnen zogen, sie ins Wasser stießen und wieder hoben wie ein einziger Mann. Kam eines dieser Ruder aus dem Takt, konnte die daraus entstehende Verwirrung den Tod der gesamten Mannschaft bedeuten.
Rechter Hand glitt die Insel Murano an ihnen vorbei. Eingehüllt in den Rauch der ewig schwelenden Glasbläseröfen wirkte sie wie eine am Himmel schwebende Insel, unerreichbar für gewöhnliche Sterbliche. Und das war sie tatsächlich. Vor Murano patrouillierten Schiffe mit dunkel gekleideten Männern, deren Aufgabe es war, die Glasbläser vor unliebsamen Besuchern zu schützen und gleichzeitig die wie Götter verehrten Handwerker auf der Insel gefangen zu halten.
Padre Antonio musste sich mit beiden Händen am Boot festhalten, als sie in den Kanal einbogen, der sie zum Kloster San Lorenzo führen sollte. Die Gondel schaukelte, und seine Übelkeit erreichte einen Grenzpunkt. Dennoch konnte der Geistliche eine gewisse Spannung nicht verhehlen, denn bislang hatte er das Kloster nur nachts gesehen.
»Kann man das Areal umrunden?« Er versuchte seine Sätze kurz zu halten, weil er befürchtete, längere Sätze könnten ein wenig vom Frühstück mit sich führen. Der Gondoliere ließ das Boot jetzt mit langsamen Schlägen ruhig vorwärtsgleiten. DieWellenbewegungen des offenen Wassers ließen nach. Der Nebel in Padre Antonios Kopf begann sich etwas zu lichten. »Nein, Monsignore! Das Kloster ist nur auf drei Seiten von Wasser umflossen. Im Süden geht die Insel auf das Bacino di San Marco hinaus. Von dort seht Ihr San Giorgio Maggiore.« »Dann führt mich auf den drei Wasserseiten um das Kloster herum. Ich möchte so viel vom Kanal aus sehen, wie es möglich ist.«
Der Gondoliere nickte nur und schlug dreimal schnell mit dem Ruder. Das Boot schoss vorwärts, sodass Padre Antonio für einen kurzen Moment glaubte, sein Magen bliebe zurück. Das Gefühl hielt nicht lange an, denn der Mageninhalt beschleunigte verzögert, sodass ihm plötzlich ein Schwall bitteren Magensafts in den Mund gedrückt wurde. Padre Antonio musste zweimal rasch schlucken, sonst hätte er sich erbrochen.
»Langsamer, bitte!«, würgte er hervor. Der Gondoliere nahm die Bitte ungerührt entgegen und schlug das Ruder wieder in derselben Art wie eben. Diesmal war Padre Antonio jedoch vorbereitet und schaffte es, gegen den Würgereiz anzukämpfen.
Die Gondel glitt unter einer Brücke hindurch. Von rechts mündete ein Wasserlauf in den Kanal.
»Er führt hinaus auf den Canal Grande«, kommentierte der Gondoliere. »Ab hier beginnt das Kloster, Padre!«
Rechter Hand wuchsen die Fassaden direkt aus dem Wasser. Die meisten waren Holzfachwerkbauten, bis auf die Rückseite der Kirche, fensterlos, mit bröckelndem Putz und einem Stil, der mindestens so alt war wie die Stadt selbst.
»Es ist eines der ältesten Klöster in der Stadt«, begann der Gondoliere zu erklären, ohne dazu aufgefordert zu werden. »Benediktinerinnen aus Torcello haben sich auf der Insel niedergelassen, lange bevor Venedig entstanden ist. Hier im hinteren Teil gibt es Werkstätten, die Wäscherei, im vorderen die Kirche mit der Sakristei, und gleich gleiten wir am Garten des Ordens vorbei. Die Frauen sind sehr geschickt darin, Äpfel und Kirschenzu züchten. Sie haben selbst sogar einen Apothekergarten. Meine Frau kauft gelegentlich Arznei von den Schwestern. Sie verstehen sich darauf und verkaufen ihre Waren in eigenen Läden in der Stadt. Vor allem ihre Kräutertinkturen und Medizinen sind begehrt.«
Der Gondoliere stoppte das Boot am Ende der Gartenmauer, wendete es und ruderte die Strecke zurück. Padre Antonio fiel auf, dass die Umfassung des Gartens niedriger war als die folgenden Gebäude. Die Kronen der Bäume ragten über die Mauer hinaus. Äpfel,
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