Die Botschaft Der Novizin
Gebäude, das nahe am Wasser liegen musste, weil man das Klatschen der Wellen deutlich hörte.
»Das Reich der Cellerarin. Ohne sie kann die Küche nicht arbeiten. Alles liegt in der Hand von Schwester Costanza. Sie gehört mit zu den ältesten Nonnen im Konvent und ist eine leibliche Verwandte der Signora Trevisan.« Das Gebäude erstreckte sich nach rechts. Links ab führte eine Tür, die fest verschlossen war. »Vor der Mauer läuft der Rio San Giovanni Laterano«, sagte Schwester Maria. »Und diese Tür führt nach draußen auf den Landeplatz, von dem aus die meisten Waren hierhergebracht und eingelagert werden.«
Es roch nach altem Wein, nach sauer eingelegtem Essiggemüse, nach Gärendem und Ranzigem. Dazwischen mischten sich der süße Duft von Äpfeln und der scharfe von fermentierendem Käse. Ein säuerlicher Geruch wie von ungewaschenen Füßen verband sich mit dem von Trockenfrüchten und Säcken voller Nüsse sowie teurer Gewürze. Es war ein die Sinne verwirrendes Quodlibet für die Nase.
»Wo ist Suor Costanza jetzt?«, fragte Isabella und schalt sicheinen Dummkopf, weil die Nonnen ja die Sext feierten. Doch dann schnarrte ihr aus der Tiefe des Raums eine Stimme entgegen.
»Sie ist hier, weil ein so junges Ding durchs Haus geführt wird und ich dafür Sorge trage, dass es nicht durch den Ausgang hier verschwindet. Er ist zwar abgesperrt, doch Vorsicht ist angebracht bei einem Hitzkopf wie der Educanda Isabella!«
Aus einer dunklen Ecke tauchte eine Frau auf, die den Eindruck erweckte, als sei sie seit der Gründung des Klosters bereits hier. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, die mager war, trat ihnen hier eine runde und feste Person entgegen. Ihr Gesicht war dennoch über und über mit Runzeln bedeckt, auf der Oberlippe hatte sich ein dichter Damenbart entwickelt, und ihre Finger, die sie jetzt Isabella entgegenstreckte, wirkten wie knotige Wurzeln eines alten Baumes. Dennoch strahlte sie Würde und Freundlichkeit aus, nicht die Verbissenheit ihrer Schwester.
»Isabella ist von der Äbtissin der Küche zugeteilt worden, Schwester Costanza«, erklärte Suor Maria ihre Anwesenheit in den Räumen der Cellerarin.
Die ehrwürdige Mutter musterte Isabella von oben bis unten. »Mager ist sie. Das Leben vor den Mauern birgt die Gefahr der Beschleunigung, die einhergeht mit Unruhe und Überreizung.« Sie griff in ihren Ärmel und zog daraus eine schmale Stange süß riechenden Brots hervor. »Esst«, befahl sie in einem Ton, der keine Widerrede duldete, und fuhr freundlich fort: »Wenn es Probleme gibt, wenn du etwas brauchst, Kind, komm zu mir. Ich habe für viele Schwierigkeiten, die sich aus dem Klosterleben ergeben, den Schlüssel.«
Isabella sah auf. Das Wort klang absichtsvoll, nicht nur so da-hergesagt. Beinahe hätte sie vergessen, dass sie nicht nur das Kloster besichtigte, sondern danach suchte, was sich hinter dem Wort »Schlüssel« verbergen konnte. Es musste so wichtig sein, dass es sich lohnte, in einem Rätsel verborgen zu werden, und so klar, dass es nicht mehr als dieses einen Wortes bedurfte,um die Lösung vor Augen zu haben. Isabella beschloss, diesem »Schlüssel-Angebot« der Cellerarin auf den Grund zu gehen. Nachdem sie das Gebäck verzehrt hatten, das wie ein in Honig getauchtes Früchtebrot schmeckte, führte Suor Maria sie den Weg wieder zurück und in den der Insel zugewandten Bereich des Klosters.
»Wir kommen zum Besuchszimmer. Das ist für uns Bräute des Herrn sicher der wichtigste Raum des gesamten Klosters«, verkündete sie. Isabella kannte den Raum längst, war sie hier doch oft gewesen, wenn sie ihre Tante besuchte. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie sich damals auf der anderen Seite der Trennwand befunden hatte.
Isabella hatte den Raum als Besucherin in Erinnerung: ein weitläufiges, rechteckiges Zimmer mit hohen Räumen, an deren hölzerner Decke sich ein Blumenmuster aus Akanthusblättern über die Fläche rankte. Eine Tür führte auf den Vorplatz vor der Kirche hinaus. Eine weitere Tür hatte früher in den Konvent hineingeführt, war jedoch zugemauert worden. An zwei Innenwänden zogen sich Fenster entlang, die mit dichten Gittern versehen waren. Dahinter warteten und saßen die Schwestern und sprachen mit ihren Verwandten, gaben den Bräuten der Familie, die heiraten durften, ihren Segen und nahmen Geschenke entgegen. Geburtstage wurden darin gefeiert, es wurde getrauert, es wurden Puppenspiele und Tänze aufgeboten und den Nonnen so ein wenig Welt durchs
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