Die Botschaft Der Novizin
Konvent?«
»Nein, sie sind der Besitz von Schwester Ilaria«, war die lapidare Antwort, und die Educanda getraute sich nicht weiterzufragen, ob denn Privatbesitz im Kloster nicht eigentlich verboten war. Ein durchdringendes »Kikeriki« beantwortete Isabellas Frage nach einem Hahn. Sie bemerkte den spöttischen Blick Suor Marias, als der Ruf des Tieres durch den Gang schallte.
Es roch in diesem Trakt wie auf einem Hühnerhof, und Isabella war froh, nicht hier untergebracht zu sein. Sie gelangten in einen Quertrakt. Dort gab es Räume, in denen Paramente angefertigt wurden, reich bestickte Priestergewänder und Decken für die Altartische Venedigs. Sie umrundeten den Kreuzgang, begleitet vom engelgleichen Gesang der Nonnen aus dem Chor.
Isabella bewunderte die Kapitelle, die alle Säulen des Umgangs krönten. Sie zeugten vom ehrwürdigen Alter des Klosters. Fabelwesen sah sie dort sich hinter Ranken ducken, merkwürdige Männer auf Eseln reiten, einen Vogel sich aus einem Kelch laben, eine Frau ein Buch in der Hand halten und, am schrecklichsten für sie, ein Fischwesen mit langen Zähnen und aufgerissenem Maul einen Menschen verschlingen. Nur die Sonne, die sich im Inneren des Kreuzgangs fing und ein Spiel aus Licht und Schatten vollführte, hellte ihre Stimmung ein wenig auf. Die Figurinen sollten offenbar den geistlichen Frauen die Schrecknisse der Welt vor Augen führen.
Ohne ein Wort zu reden, liefen sie durch den Kreuzgang und bogen dann in einen weiter nach hinten versetzten Teil des Klosters ab, der quer zu den Nonnentrakten verlief, und gelangten zu Küche und Backstube. Es roch nach Blut und Fett und heißem Olivenöl. Als sie den Raum betraten, mussten sieunter einer Reihe geschlachteter Hühner hindurchlaufen, die an einem Strick aufgereiht hingen.
»Dort wirst du arbeiten!«, verkündete Suor Maria. »Hier ist das Reich von Suor Crescenza und Suor Anna.« Sie deutete auf zwei Nonnen, die mit hochgekrempelten Kutten vor einer riesigen Pfanne standen und Gemüse anbrieten und offenbar die Sext schwänzten. Suor Anna war eine beleibte Person mit rosigen Wangen und freundlichen Augen, die schwerfällig watschelte, während Suor Crescenza mit ihrem Oberlippenbärtchen eher einem Mann glich, allerdings über eine enorme Oberweite verfügte. »Du wirst wie ich von der Matutin und der Prim befreit, weil wir beide bereits nachts aufstehen und den Teig herrichten müssen. Zum Frühstück liefern wir frisches Gebäck. In dieser Zeit dürfen die beiden Schwestern hier zum Gebet, und dafür sind sie mittags befreit.«
»Gebäck?« Isabella verschlug es die Sprache. »Ich dachte, Nonnen leben von Brot und Wasser und gelegentlichem Weingenuss.« Jetzt musste Suor Maria herzlich lachen, und die beiden Nonnen, die das Mittagsmahl zubereiteten, stimmten darin ein. »Kind, wo lebst du eigentlich? Das hier ist ein Frauenkloster. Kaum jemand ist freiwillig hier. Beinahe alle haben sich dem Zwang der Familien unterworfen. Wir hier werden beherrscht von den Familien der Trevisan, der Cavazza und der Venier. Alle haben sie die Profess abgelegt, doch keiner der adligen Damen würde es im Traum einfallen, von Wasser und Brot zu leben. Sie haben nicht ein Leben in Luxus aufgegeben, um ein Leben in Armut zu führen. Sie haben es aufgegeben, damit ihre Familien für sie keine Mitgift zahlen müssen, die sie in den Ruin treibt. Dafür erwarten sie Wohlstand und Unterstützung hinter diesen Mauern. Es fängt bei der Kleidung an. Hast du die Kutte der Signora Trevisan gesehen? Sie ist nicht wie unsere hier aus Leinen und Wollstoff. Sie ist aus reiner Seide. Von der Äbtissin gestattet, denn die empfindliche Haut der Signora verträgt das raue Leinen nicht.«
Sie sahen den beiden Nonnen noch eine Weile zu, während Isabella zu verdauen versuchte, was ihr Suor Maria da erzählt hatte. Sie beobachtete, wie Schwester Anna eine Tür öffnete und mit einem langen Spatel zwei Brotlaibe aus dem Backofen holte. Darauf schloss sie die obere Luke wieder und öffnete die untere. Mit bloßen Händen legte sie Holz nach und wischte sich die von der eisernen Ofentür verrußte Hand an ihrer Schürze ab.
Die beiden Küchenfrauen arbeiteten ohne viele Worte, und doch wirkten Handreichungen und Tätigkeiten gleichmäßig und ineinandergreifend wie Kette und Schuss in einem fein gewebten Tuch.
Suor Maria zupfte Isabella am Ärmel und lenkte ihren Schritt durch die Küche hindurch in deren hinteren Teil. Ein schmaler Gang führte weiter zu einem
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