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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf und strich sich ihre weiße Kutte zurecht. »Anklopfen?« Suor Maria gluckste. »Die Tür ist auf; ich kann von draußen durch die Türöffnung sehen; eine Nonne steht entweder in ihrer Zelle, oder sie kniet beim Beten, oder sie liest in der Bibel. Warum sollte ich anklopfen?«
    »Sie könnte schlafen!«, fauchte Isabella die Ordensschwester an. Sie wollte nicht belehrt werden.
    »Du darfst dich erst nach der Komplet, dem Abendgebet, hinlegen. Ora et labora , bete und arbeite, lautet unsere Ordensregel.« Mit auf dem Rücken verschränkten Armen trat sie ganz in den Raum. Hinter ihr schlug die Tür zu. Sie durchschritt ihn, bückte sich nach dem zerknüllten Brief, hob ihn auf und betrachtete ihn lange. »Was ist das? Der Brief eines ...?« Die letzte Wortlücke dehnte sie so, dass Isabella wusste, was sie hatte sagen wollen.
    »Nein. Keine Zeile eines Liebhabers. Das letzte Lebenszeichen meiner Tante.« Isabella stand auf.
    »Darf ich ihn lesen?« Plötzlich wirkte die Ordensschwester
ganz nervös. Noch bevor Isabella ihre Zustimmung gegeben
hatte, entfaltete sie das Schreiben und glättete es auf dem Pult.
    Sie begann die Zeilen zu studieren, dann entsann sie sich offenbar, dass Isabella nicht ja gesagt hatte. »Darf ich?«
    Isabella nickte, jetzt auch neugierig darauf geworden, was Suor Maria an diesem Brief so spannend fand. Die Nonne las ihn einmal, zweimal, dreimal. Immer wieder glitten ihre Augen über die Zeilen. Endlich riss Suor Maria sich los und drehte sich zu Isabella um.
    In diesem Augenblick läutete eine feine Glocke, deren Ton dennoch die Mauern zu durchdringen schien, zur Sext.
    »Ora et labora« , meinte Isabella trocken. »Jetzt ist wohl das Beten an der Reihe.«
    Doch die Schwester hielt sie zurück. »Wir haben Dispens für diesen Tag. Ich soll dich durch das Kloster führen, dich in deine Arbeit einweisen, dir die Regeln erklären, nach denen wir hier leben – und natürlich auch die Hackordnung. Wir sind ein großer Hühnerstall mit Mutterglucken und Kücken.«
    Isabella spürte, wie die Hand der Ordensfrau zitterte. Suor Maria war nervös, als hätte sie eine Entdeckung gemacht. »Fehlt nur noch der Hahn«, spottete Isabella.
    Diesmal sah die Leserin kurz auf. »So sollte es sein«, antwortete sie zweideutig. Sie sah Isabella nur lange an. »Warum hast du den Brief zerknüllt?«, fragte sie endlich.
    »Den Brief? Ich bin nicht freiwillig hier, und meine Tante begrüßt mich, als hätte ich bereits die Profess abgelegt und für den Rest meines Lebens den Schleier genommen. Nur um meinem Vater einen Gefallen zu tun und der Tante zur Hand zu gehen, bin ich hierher gekommen – das wusste sie. Und jetzt liegt sie aufgebahrt in einer Kapelle. Niemand in diesem Konvent will es mir sagen, die Äbtissin erzählt mir Lügen, und ihre Stellvertreterin spricht von Selbstmord, wenn nicht sogar von Mord. Würdest du dich in so einer Situation für irgendwelche belanglosen Sätze interessieren wie: ›Suche und du wirst finden. Finde und du wirst wissen.‹ Außerdem, sieh ihn dir an, diesen Brief, Schwester, schlampig und fehlerhaft ist er geschrieben.
    Sie hat sich nicht einmal Mühe gegeben für ihre Nichte!« Ihr ganzer Ärger und ihre Verzweiflung darüber, jetzt allein hinter diesen Mauern zu stehen, kam in ihr hoch.
    Langsam begann Suor Marias Kopf hin und her zu pendeln, als würde sie die Erklärung Isabellas nicht recht verstehen oder verstehen wollen, als würde sie die Sätze sogar missbilligen. Die Educanda wollte bereits scharf erwidern, dass sie die Meinung der Nonne nicht interessierte.
    »Die Sätze sind nicht belanglos – und der Brief ist nicht fehlerhaft. Im Gegenteil!«
    Überrascht sah Isabella, wie sich rote Flecken auf Suor Marias Hals unterhalb der Ohren bildeten. Sie musste übersät sein mit hektischen Flecken, doch die Ordenstracht verdeckte diese. »Sieh her!«, sagte sie nur und drehte sich um. »Sie hat ›ompagnia‹ geschrieben statt ›compagnia‹ und ›ocietà‹« statt ›società‹.«
    Isabella nickte zwar, doch konnte sie darin kein besonderes Prinzip erkennen. »Flüchtigkeitsfehler«, antwortete sie nur brummig.
    Jetzt setzten die Kirchenglocken ein. Die Mittagsstunde schlug. Die Nonnen hatten sich im Chor versammelt, und durch die Gänge hallte der melodische Klang der Gebete und der Chorlieder. Isabella horchte auf den Zusammenklang von Kirchenglocken und dem Gesang der Frauenstimmen. Er beruhigte. Er senkte eine Gewissheit in die Seele, dass über diesem

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