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Die Botschaft Der Novizin

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Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Vatikanischen Bibliothek!«, schrie er gegen die Tür in der Hoffnung, dass der Mann dahinter ihn verstanden hatte.
    Offenbar hatte er damit Erfolg. Erneut öffnete sich die Tür einen Spalt. »Ihr seid nicht Aleander«, bemerkte der Mann, nachdem er den Geistlichen von oben bis unten gemustert hatte. Diesmal schloss sich der Eingang nicht.
    »Ich bin Padre Antonio. Die rechte Hand Hieronymus Aleanders, und ich suche Eure Hilfe in Angelegenheiten, die man besser nicht hier auf offener Straße bespricht.« Dabei senkte er seine Stimme wieder.
    Ein Seufzer entrang sich der Brust des Alten. Dann schmetterte er die Tür zu, ein Riegel wurde zurückgeschoben und eine Hand erschien, die den Geistlichen mit einem erstaunlich kräftigenRuck über die Schwelle zog. Erneut krachte das Türblatt ins Schloss, und das Geräusch der Sperren ließ keinen Zweifel zu: Er war drinnen.
    Ein muffiger Geruch schlug ihm entgegen, ein Geruch nach Büchern und altem Mann. Zuerst war er wie blind, denn trotz der Sonnenferne der Gasse war es draußen taghell gegenüber dem Gang, in dem er sich jetzt befand.
    »Wenn Ihr nichts seht, hört auf meine Schritte und folgt mir«, knarzte der Befehl durch die Dunkelheit.
    »Wäre eine Kerze oder ein Windlicht nicht dienlicher, als sich durch die Dunkelheit zu schleichen?«, murrte der Pater. »Untersteht Euch, auch nur einen Funken aus einem Stein zu schlagen. Sonst werdet Ihr die Herrlichkeiten, die ich Euch zu bieten habe, niemals zu Gesicht bekommen.« Padre Antonio beschloss, die Anweisungen zu befolgen, und tastete sich hinter dem Alten her.
    Er tastete sich eine Wand entlang, dann ging es aufwärts, eine schmale Stiege hinauf. Im ersten Stock des Hauses, weit entfernt vom Wasser und der schädlichen Feuchte, mit der es ganz Venedig durchtränkte wie bei einem Schwamm, traten sie in einen Raum.
    Padre Antonio blieb vor Verblüffung stehen. Das Zimmer, das die gesamte Länge des Hauses einnahm und mindestens die Hälfte der Breite, soweit er durch eine offene Tür sehen konnte, war vollgestopft mit Büchern, Blättern, Drucken, Handschriften, Bildern, Holzschnitten, Wiegendrucken. Alles, was auf Papier oder Pergament gebannt werden konnte, war hier in diesem Raum versammelt und ließ kaum mehr Platz, als ein erwachsener Mann zum Atmen brauchte.
    »Was ist das hier?«, entfuhr es dem Pater.
    Jetzt erst wurde er sich wieder bewusst, dass er hereingeführt worden war. Der Mann schien zwischen den Papier-und Manuskriptbergen verschwunden zu sein. Padre Antonio stürzte vorwärts, konnte den Alten jedoch nirgends entdecken.
    »Die Frage lautet: Was führt Euch zu mir?«, hörte er plötzlich neben sich sagen.
    Erschreckt drehte sich Padre Antonio in die Richtung, aus der die Ansprache gekommen war, und entdeckte zwischen Papierstapeln einen Stuhl. Der Alte saß darauf, als hätte er sich niemals davon wegbewegt. Das Gesicht des Mannes wirkte viel jünger, als der Pater es sich in Gedanken vorgestellt hatte. Blaue Augen wurden geteilt von einer dicken, zerfurchten Nase, und der Schädel war beinahe kahl, wenn man von zwei schmalen Streifen kurzer weißer Haare absah. Die Hände hielt der Mann über dem Bauch gefaltet, die Beine standen auf dem Boden. Auf seinem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch.
    »Wenn Ihr der seid, an den mich mein Meister verwiesen hat, habt Ihr etwas zu berichten.«
    »Da ich nicht weiß, wen Ihr sucht, weiß ich nicht, welche Information für Euch bestimmt sein sollte«, kam die Antwort. Erneut erwachte in Padre Antonio der Instinkt des Jägers. »Wenn Hieronymus Aleander von Euch erzählt hat, bekam er ganz feuchte Lippen, als würde ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen«, versuchte der Geistliche zu beginnen.
    »Die Aufgabe, mein Freund, der ich mich verschrieben habe, ist kein kulinarischer Kitzel. Sie ist das Ergebnis unendlichen Fleißes und der Abtötung weltlicher Gelüste. Ich kasteie mich, um der Welt einen Dienst zu erweisen. Dabei weiß ich nicht einmal, ob sie diesen Dienst von mir haben will oder ihn verdient. Dankbarkeit jedenfalls kann man davon nicht erwarten.«
    Der Alte sprach so tonlos und ohne jede Aufgeregtheit, dass es den Pater zu frieren begann.
    »Sammlern gegenüber ist die Welt seit jeher undankbar gewesen«, versuchte der Pater das Gespräch in Gang zu halten. »Solange sie leben, mühen sie sich, für einen Augenblick ein Fenster in die Vergangenheit zu öffnen; sobald sie sterben, wird dieses meist von Nachkommen geschlossen, deren Ahnungslosigkeit

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