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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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abwischte, weil sie voller Ruß war. Bestürzt betrachtete sie die Bewegung.
    In diesem Augenblick trat Julia Contarini aus einem toten Winkel ins Blickfeld. Sie sah auf die Holzwand und blickte so direkt zu dem Astloch hin, dass Isabella zurückzuckte.
    »Wir müssen zurück«, flüsterte Suor Maria nahe ihrem Ohr. Isabella nickte. Sie hatte genug gesehen.

KAPITEL 10 »Das ist alles? Mehr habt Ihr nicht zu bieten? Ein lumpiges Begriffspaar, dessen Bedeutung gut und gerne ins Reich der Legende verwiesen werden kann! Wisst Ihr eigentlich, wie viele Urkunden die Mutter Kirche im Laufe der Zeit gefälscht hat? Papst Gregor VII. unterhielt sogar eine eigene Fälscherwerkstatt im Vatikan.« Die Stimme des Alten zischte sarkastisch durch den Raum. »Deshalb schickt Euch Hieronymus Aleander von Rom bis hierher nach Venedig?« Verächtlich schnaubte er durch die Nase. »So, so, Kardinal ist er inzwischen geworden? Ein törichter Aufstieg. Er hätte Bibliothekar bleiben sollen.«
    Padre Antonio blieb äußerlich ruhig, obwohl es in seinem Innerenkochte. Was bildete sich dieser Kerl ein? Doch der Alte saß ihm seelenruhig gegenüber und grinste, als wäre er schwachsinnig. Der Pater holte tief Luft und gestand sich ein, dass der Mann vor ihm vermutlich wirklich verrückt war! Vergraben zwischen Büchern und Manuskripten, eingesponnen wie eine Schmetterlingsraupe in einen Kokon aus Wörtern und Pergament. Dennoch musste er mit ihm reden, musste wissen, was er von diesem Vertrag hielt.
    Mit einer Stimme, die keine Emotionen erkennen ließ, sagte er: »Mein Herr hat mir mitgeteilt, gerade Ihr würdet eine Spürnase für ungewöhnliche Gegebenheiten besitzen. Und dieses Dokument hier«, er deutete auf das Papier mit den zwei Siegeln, »ist ungewöhnlich genug.«
    »Es ist nur ein Vertrag. Die Verlegung eines Klosters, wie sie hundertfach geschehen ist.« Der Alte wirkte tatsächlich gelangweilt. Er gähnte und hielt sich keine Hand vor den Mund, sodass der Pater die rötlichen Stege seines zahnarmen Mundes betrachten konnte.
    »Ihr wisst genau, dass das nicht stimmt. Niemand verlegte um diese Zeit seinen Sitz auf eine der Laguneninseln, wenn er nicht etwas schützen wollte.«
    Der Kaufvertrag für das Stück Land, mit dem die Nonnen einen Teil ihres Klosterbetriebs von Torcello aus nach Venedig verlagerten, das damals gerade zu wachsen begonnen hatte, hatte ihn ebenso fasziniert wie den Kardinal. Wenige Jahrzehnte zuvor war die Markusreliquie nach Venedig gelangt, im Jahr 828, und zwei Jahre danach wurde der Grundstein für die Markuskirche gelegt. Dass sich ein Frauenkloster seinen Platz im Schatten dieser Kirche sichern wollte, war nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war nur die Formulierung, mit der die Nonnen sich dort niederließen. Sie bezeichneten sich als Custodes Domini , »Wächter des Herrn«, wenn sich die Schrift auf dem Pergament richtig deuten ließ. Genau dieser Ausdruck war es, der Hieronymus Aleander und ihn hatte stutzen lassen.
    »Wenn es hier Wächter gibt, dann haben sie etwas zu bewachen, und wir fragten uns, ob sich nicht in Eurem Schatzhaus hier eine Erklärung für diese merkwürdige Bezeichnung finden ließe.«
    Er schlenderte durch die Stapel der Bücher und Manuskripte. Manche Papiere und Handschriften waren vom Staub zu regelrechten Klumpen verbacken. Andere besaßen Einmerker aus Stoff, als wüchsen ihnen Haare. Unmöglich konnte ein Mensch allein diese Unmengen an schriftlichen Zeugnissen gelesen haben. Der Alte schien seine Gedanken erraten zu haben.
    »Ich lese schnell und besitze die Gabe, nichts zu vergessen, was ich einmal überflogen habe. Es ist eher ein Fluch als ein Segen, denn niemals werde ich das Vergnügen haben, ein Buch zweimal zu lesen und anderes darin zu entdecken als das, was ich bereits weiß. Mir stehen alle Seiten, die ich je durchgeblättert habe, so bildlich vor Augen, dass ich sie wörtlich zitieren kann. Wenn ich die Lider schließe, liegt sie vor mir, die Bibliothek meines Geistes. Ich kann sie durchwandern, aber auch in meinem Gedächtnis jedes Buch, jedes Blatt einzeln herausholen, durchblättern und nach Dingen absuchen, die mir bekannt vorkommen.«
    Der Alte hatte so leise gesprochen, dass Padre Antonio nur die Hälfte verstanden hatte.
    »Ihr meint, Ihr kennt das alles auswendig?« Mit einer Handbewegung fasste er alle Manuskripte und Schwarten zusammen, die im Staub des Raums eingebettet lagen wie in einem mit Sägemehl gefüllten Sarg. Aus einem der Stapel ragte ein

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