Die Botschaft Der Novizin
Suor Anna schlüpfte ins Zimmer, eine Kerze in der Hand. Eine Hand hatte sie auf ihren Bauch gelegt. Isabella glaubte fast, er sei seit ihrer letzten Begegnung noch gewachsen.
»Es ist Zeit. Wir müssen in die Backstube«, weckte sie Isabella. »Nehmen wir Suor Maria mit hinunter?«, erkundigte sich Isabella, in der mit der Nennung des Namens sofort wieder dieses unangenehme Gefühl aufstieg. Sollte sie nicht doch nachsehen?
»Sie hat ihre Ruhe verdient!«, antwortete Suor Anna und zwinkerte Isabella zu. Diese verstand nicht recht, wie die Bemerkung gemeint war, doch sie nickte und lächelte zurück.
Sie brauchte sich nicht anzukleiden, da sie im Habit geschlafen hatte. Nur den Schleier legte sie um, und dann schlichen sie hinunter in die Backstube. Unterwegs begegneten ihnen stumme Gestalten, die sich zum Chor begaben, um dort die Lobpreisungen des Herrn zu singen.
Ihre Holzschuhe klackten dumpf auf den Dielenbrettern. Isabellaerkannte Signora Artella; sie machte nicht den Eindruck, als wäre sie die halbe Nacht wach gewesen. Während die übrigen Schwestern zur Kirche hin abbogen, liefen Suor Anna und Isabella ins Erdgeschoss hinunter und zum Backhaus hinüber. Die dicke Nonne ging langsam und watschelnd, sodass es einige Zeit dauerte, bis sie die Backstube erreichten.
Suor Crescenza erwartete sie bereits mit hochgekrempelten Ärmeln, die Arme tief im Brotteig begraben. Sie nickte und deutete auf den Backtisch. Der war bereits mit Mehl bestäubt. Schwester Anna nahm sofort einen ersten Teigklumpen entgegen, stellte sich breitbeinig vor das Walkbrett, wälzte ihn in Mehl und formte daraus mit geschickten Bewegungen einen Klumpen. Den reichte sie an Isabella weiter.
»Dort auf das Brotbrett. Wenn wir vier Brote draufhaben, kommt alles in den Ofen.«
Noch niemals in ihrem Leben hatte Isabella Brot in einen Backofen geschoben. Dafür hatte man bei ihnen zu Hause eine Magd, wenn sie überhaupt selbst backten. Mit einem dicht gewebten Tuch öffnete sie die Eisenklappe des Ofens und blickte hinein. Ganz hinten glommen noch die Reste schwerer Buchenscheite.
»Du musst die Glut auseinanderziehen, das heißt nach links und rechts wegschieben, und dann die Brote in die Mitte legen. Allein die Hitze des Steins backt die Brote aus«, belehrte Anna sie und deutete mit dem Kinn auf eine eiserne Schaufel. Isabella holte sie sich aus der Ecke. Bevor sie jedoch zugriff, stutzte sie. Im schwachen Licht der Kerzen betrachtete sie ihre Hand. Die Rechte war völlig mit Ruß bedeckt, demselben schwarzen Ruß, der auch an der Hand der Tante zu sehen gewesen war. Er stammte von dem Tuch, das sie eben benutzt hatte. Dafür gab es nur eine Erklärung: Ihre Tante Francesca war in den letzten Stunden ihres Lebens hier in der Backstube gewesen und hatte zumindest dieses Tuch verwendet. Doch wozu?
Isabella langte mit dem eisernen Schieber in den Ofen undverteilte die glühenden Holzreste. Dann zog sie diesen wieder heraus und ließ das Holzbrett mit den Broten einfahren. »Wenn du hinten bist, dann kipp den Spatel etwas und zieh ihn ruckartig heraus.«
Isabella versuchte es und fand, dass die Anweisung sich gut umsetzen ließ. Sie nahm den Spatel heraus, der relativ schwer war, und wollte ihn wieder zurücklegen, damit die nächsten Brotlaibe darauf Platz hatten. Dabei geriet ihre Hand zu sehr an den Teil des Holzes, der der Glut am nächsten gelegen hatte, und die Hitze versengte ihr die Handinnenfläche. Tränen des Schmerzes und der Wut über ihre eigene Dummheit traten ihr in die Augen. Sie bückte sich, um die rechte Hand zwischen ihre Knie zu klemmen, weil sie glaubte, so das Brennen loszuwerden.
»Räum die Asche unten aus!«, befahl Schwester Anna. »Das hilft ein wenig gegen den Schmerz!« Sie sah Isabella mitleidig an. »Du musst den Aschekasten unten herausziehen. Achte darauf, auch er ist heiß, doch nicht allzu sehr.«
Isabella kniete sich auf den Boden vor dem Ofen. Mit dem Lap - pen, an dem sie ihre Finger abwischen konnte, nahm sie den Griff des Aschekastens und zog ihn heraus. Im feinen Staub lagen rot glühende Brocken wie geheimnisvolle Chiffren und Schriftzeichen. Der Schub war übervoll, und beim Herausnehmen streifte sie Asche ab, die hinter dem Kasten in die Öffnung fiel. Neben dem Ascheloch stand ein Handbesen. Isabella musste sich weit hinunterbücken. Dabei fiel ihr Blick in die Öffnung, die den Aschekasten aufnahm.
Der Schmerz und das Ungemach des Bückens waren augenblicklich vergessen. Ganz hinten oben
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