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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stirnseite aufgebaut, leicht erhöht und mit samtenen Stoffen überschlagen. Der mittlere war eine Idee größer und prächtiger als die beiden zur Linken und zur Rechten.
    »Ruft Eure Frauen zusammen!«, befahl der Patriarch erneut, nachdem er sich auf den für ihn geschmückten Stuhl niedergelassen hatte.
    Wortlos nickte die Äbtissin und wandte sich um. An der dem Katheder gegenüber liegenden Wand stand eine bronzene Glocke. Auf die schlug die Äbtissin mit vier schnellen Schlägen ein. Ein durch Mark und Bein dringender Klang erfüllte den Raum. Er schmerzte Padre Antonio in den Ohren und im Bauch und ließ, wie er von der Seite her beobachtete, selbst den Patriarchen das Gesicht verziehen. Die Mutter Oberin kehrte ungerührt an die Seite Gerolamo Querines zurück und setzte sich zu seiner Linken. Kleine weiße Fasern lugten aus ihren Ohren, und Padre Antonio hätte beinahe schallend gelacht. Sie hatte sich vorsorglich kleine Stofffetzen in die Gehörgänge gesteckt. Die Glocke war offenbar als kleine Gehässigkeit für die unliebsame Störung gedacht gewesen.
    Stumm saßen sie im Kapitelsaal, und langsam begann die Kühle
des Gemäuers an Padre Antonios Schenkeln hochzuziehen. Erhätte sich Schuhe mit Innenfutter anziehen sollen. Er würde auf den Patriarchen einwirken, dass hier Feuer entzündet oder zumindest Kohlebecken aufgestellt wurden.
    Wie Geister huschten die Nonnen eine nach der anderen in den Saal. Alle hatten sie dunkle Augenringe als eine Folge des Schlafmangels. Zumindest die Zeiten der Gebete wurden in diesem Kloster eingehalten, dachte sich der Pater. Er zählte an die fünfzig Frauen. Der Anspannung im Gesicht der Oberin entnahm er, dass sich noch nicht alle eingefunden hatten. Es gab also Nonnen, die dem zwingenden Ruf der Versammlungsglocke nicht folgten und in ihren Zellen blieben. Er würde sich darum kümmern, doch das hatte Zeit bis später.
    Im Vorgespräch hatten der Patriarch und er vereinbart, dass die Fragen von ihm kommen sollten und damit von Rom. Der Erzbischof hielt sich gern aus dieser Angelegenheit heraus. Padre Antonio räusperte sich und begann, indem er die Arme ausbreitete und dann zu einer Geste des Betens zusammenführte: » Oremus . Lasset uns beten, wie der Herr uns zu beten gelehrt hat!«, begann er und intonierte einen Sprechgesang des Paternoster. Die Frauen fielen melodisch ein, was den von der Versammlungsglocke malträtierten Ohren wohltat. Padre Anto - nio beobachtete während des Gesangs die Nonnen, die einen nervösen und eigenartig unruhigen Eindruck machten, was er zuerst einmal auf die Anwesenheit von Männern und vor allem auf die Anwesenheit des Patriarchen selbst schob. Ihn kannten sie ja noch nicht.
    Für den Pater von besonderem Interesse war, dass sich offenbar nur eine Novizin im Konvent befand, eine junge Frau im heiratsfähigen Alter, die allerhöchstens sechzehn Jahre zählte. Eine hübsche Person, deren versteinerter und von Trauer überschatteter Blick verriet, dass sie nicht aus freien Stücken hier war. Neben ihr stand eine weitere junge Frau, die ihrer Kleidung nach als Educanda im Kloster weilte.
    Während seine Lippen die Gebetslitanei formten, begutachteteer ebenfalls die Kleidung der Frauen vor ihm. Eine Reihe von älteren Nonnen trug keineswegs das grobleinene Gewand, das für Benediktinerinnen monastische Pflicht gewesen wäre. Im Licht der Kerzen schimmerte so mancher Habit und mancher Schleier in seidenem Glanz. Daneben blitzten Ringe an den Fingern, und außer der Oberin trugen mehrere der Frauen goldene Kreuze an ebenfalls goldenen Kettchen.
    Das Gebet endete, und eine Stille ließ sich über den Konvent nieder, die geradezu schwanger war von unterdrückter Neugierde. Padre Antonio fühlte sich von den Blicken und von der Haltung der Insassinnen gedrängt, sich zu erklären. Doch er musste warten, bis der Patriarch die Stimme erhob. Und Gerolamo Querine ließ sich Zeit. Er schien jede einzelne der Frauen zu mustern, was Padre Antonio durchaus verstand. Schließlich kannte er als Geistlicher der Stadt Venedig viele der Frauen aus der Zeit, als sie noch nicht dem Klosterleben verpflichtet gewesen waren und keinen Schleier getragen hatten.
    Endlich sprach der Patriarch. Er begann so leise, dass die Stille noch eine Stufe tiefer absackte und man glaubte, die Nonnen würden mit dem Atmen aufhören, nur um den Bischof von Venedig zu hören.
    Padre Antonio hatte jetzt Zeit, sich umzusehen. Über den Inhalt der einführenden Worte hatten sie

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