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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Crescenza hob die Augenbrauen. »Ich heize in der Stunde um Mitternacht den Ofen an, je nachdem, welches Holz uns zur Verfügung steht. Ist es nur Kiefer oder Pinie, dann feure ich später an, ist es Buche oder Eiche und damit dichtes Holz, muss ich früher anzünden, da ich nur wenig Holz verwenden kann, sonst glüht es mir die Steine durch.« Auf Isabellas fragenden Blick ergänzte sie: »Diesmal habe ich früh begonnen; die letzte Lieferung war Eiche, Schiffsbauabfälle aus dem Arsenale. Vor Mitternacht also. Genügt das?«
    Isabella nickte nachdenklich. Das bedeutete, dass der Ofen bereits heiß gewesen war, bevor Maria darin hatte nachforschen können.
    »War Suor Maria hier? Bevor es zu den Vigilien geläutet hat?«, hakte Isabella nach. Ihr fiel es schwer, unter diesen Umständen so klare Fragen zu formulieren. Doch es musste sein. Sie musste wissen, was sich abgespielt hatte.
    »Kurz vorher. Sie trieb sich hier herum, schaute in den Ofen, räumte Asche aus, prüfte die Hitze und sagte schließlich, sie werde jetzt die Neue holen, und ging dann wieder.« Suor Crescenza machte eine Pause. »Damit warst du gemeint. Aber Suor Maria ist nicht wiedergekommen. Suor Anna hat dich mit heruntergebracht.«
    Isabella nickte. Wenn Suor Maria in den Aschefall hineingegriffen hatte, dann nur mit äußerster Vorsicht. Bestimmt war sie nicht bis zu der Stelle gelangt, wo der Schlüssel hing.
    Sie wusste nicht, was sie fragen durfte, ohne zu viel Neugier zu zeigen. Denn eines war ihr klar: Wer nach dem Schlüssel suchte, der musste damit rechnen, ermordet zu werden. »Suor Maria hat mich nicht geweckt«, sagte sie deshalb ein wenig verlegen, als müsse sie eine Schuld abtragen. »Ich habe verschlafen. Jetzt gehe ich Euch jedenfalls zur Hand und räume den Aschekasten weiter aus. Ihr solltet in den Kapitelsaal gehen. Der Patriarch ist dort. Er will mit den Frauen im Konvent reden.«
    Die Nonne ließ den Räumbesen vor dem Ofen liegen und wandte sich zu Isabella um. »Seine Eminenz? Er will mit uns reden? In aller Herrgottsfrühe?« Dabei lachte sie herzhaft, als wäre das ein Spaß. Sie stemmte die Hände in die Hüften, wollte zu einer Rede ansetzen, holte auch Luft, doch dann brach sie ab, band ihre Schürze ab und reichte sie Isabella. »Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich in den Kapitelsaal gehe. Wer weiß, wozu die Mutter Oberin sich beschwatzen lässt«, murmelte sie. »Räum die Asche aus, Kind, und lass die Tür aufstehen, damit der Ofen auskühlt. Ansonsten lass alles beim Alten. Ich bin bald wieder da.«
    Isabella wartete darauf, bis die Schwester gegangen war, und machte sich sofort an die Arbeit. Sie kniete nieder und fuhr mit dem Räumbesen in die Öffnung, verfehlte jedoch den Schlüssel. Jetzt, nachdem der Ofen im vorderen Bereich bereits gut ausgekühlt war, herrschte eine undurchdringliche Schwärze im Aschefall. Mit der Hand langte Isabella durch die Öffnung und tastete blind umher. In den Schamottstein des Ofenzugangs, noch vor dem Rost, war ganz hinten ein Haken eingelassen, und an diesem hing der Schlüssel.
    Ob es der war, von dem die Tante heimlich geschrieben hatte, wusste sie nicht. Wenn sie ihn holen wollte, dann musste Isabella beinahe gänzlich in den Aschefall hineinkriechen. Wennsie sich dann mit der rechten Hand an der Ofentür festhielt, konnte sie mit dem linken Arm tief in die Öffnung greifen. Erst so gelangte sie an den Schlüssel. Sie fühlte ihn, doch er war zu heiß, um ihn anzufassen.
    Rasch lief sie in die Ecke, in der das Brotbrett stand, griff das Tuch, das dort lag, wickelte es um ihre linke Hand und nahm damit den Schlüssel vom Haken. Als sie danach ihre Hände betrachtete, wusste sie, dass sie auf dem richtigen Weg war. Ihre rechte Hand war von der Ofentür verrußt – und zwar an den Stellen, die auch bei Suor Maria und ihrer Tante schwarz geworden waren: an den Fingerspitzen und in der Handinnenfläche. Der Schlüssel selbst war aus Metall, völlig unscheinbar, und besaß einen Doppelbart. Wozu mochte er dienen? Welches Geheimnis schloss er auf? Sie steckte ihn unter ihre Schürze und wandte sich wieder der Arbeit zu.
    Der Gedanke, hier unten allein zu sein, weitab von den anderen Frauen, bedrückte sie plötzlich. Unsicher hielt sie inne und sah umher, ob sie nicht beobachtet wurde. Niemand war im Raum, und doch fühlte sie sich unwohl. Sie ging hinüber zu dem Regal, das sie bereits von hinten gesehen hatte, und stellte fest, dass es leicht zur Seite zu schieben war.

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