Die Botschaft Der Novizin
vom Katheder.
»Wie heißt Ihr, Kind?«, fragte er die Educanda, die sich zu ihnen gesellte.
Die schlug ihren Blick nieder und flüsterte: »Isabella.«
»Ich möchte Euch darauf aufmerksam machen, Padre Antonio«, warf die Oberin in scharfem Ton ein, »dass die Frauen im Konvent angehalten sind, nicht zu sprechen.«
»Wovon ich sie entbinde, wenn sie mit mir zu reden haben!«, konterte Padre Antonio, drehte sich zu der Educanda um und bat sie, ihm den Weg zu zeigen. Diese versicherte sich zuerst bei der Oberin, ob sie das dürfe, was dem Geistlichen nicht entging, und setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe. Hinter ihnen hob ein Flüstern und Zischeln an. Wäre es nicht undenkbar gewesen, hätte man Neid darin vermuten können.
Sie verließen den Kapitelsaal, stiegen eine Treppe hinauf in den ersten Stock, durchquerten zwei Gänge und standen bald vor einer Zelle. Die dunkle Tür besaß keinerlei Riegel, nur eine hölzerne Klappe, die die Oberin jetzt öffnete und den Namen der Delinquentin hin rief: »Suor Maria. Steht auf!«
Als sich nichts rührte, zog die Mutter Oberin die Tür auf. Sie schwang nach außen auf, ohne zu quietschen. Zu Padre Antonio gewandt sagte sie: »Bleibt bitte vor der Tür. Ich weiß nicht, in welchem Zustand ich die Schwester vorfinde.« Suor Immacolata trat langsam ein. Das Licht brannte noch in der Nische und beleuchtete den Raum schwach. Padre Antonio sah eine dunkle Zellenkammer, schmucklos und karg eingerichtet, wie es die Regeln befahlen. Auf dem Bett lag Suor Maria, den Kopf zur Wand gedreht. Es roch eindringlich nach Fäkalien und Urin. Der Pater wunderte sich. Besaßen die Nonnen Jauchekübel, in die sie nachts ihre Notdurft verrichteten?
Die Äbtissin trat ans Bett, legte der Nonne eine Hand auf die Schulter und rüttelte sie. Langsam kippte der Körper zur Seite, der Arm rutschte herab und zog die Schwester mit sich, die von der Liegestatt rollte und zu Boden fiel. Der Blick aus ihren halb offenen Augen richtete sich gleichzeitig an die Decke und nachinnen. Wie erstarrt standen die drei und sahen auf den leblosen Körper hinunter. Zuerst herrschte eine gespannte Stille, die sich bei Isabella in einem schrillen Schrei entlud. Dann rannte sie auch schon den Gang entlang.
Padre Antonio war sofort klar, was die Educanda offenbar ebenfalls erkannt hatte. Suor Maria war tot.
KAPITEL 13 Isabella rannte blindlings durch die Gänge, ohne sich darüber bewusst zu werden, wohin sie ihre Füße lenkte. Erst als niemand ihr folgte, verlangsamte sie ihre Schritte, bis sie sich außer Atem und erschöpft in eine Ecke lehnte und sich auf ihre Fersen niedersinken ließ. So kauerte sie und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Vor ihren Augen stand das Bild, das sich ihr geboten hatte, als sie an Padre Antonio vorbei auf Suor Maria geblickt hatte. Die Striemen am Hals und die rußige Färbung ihrer rechten Hand waren ihr sofort aufgefallen.
Sie umfasste sich mit beiden Armen so, dass sie ein wenig Wärme verspürte, denn ihr Unterkiefer zitterte und sie fröstelte am ganzen Körper.
Ihre Tante war tot – und alle Anzeichen sprachen dafür, dass sie gewaltsam zu Tode gekommen war. Und jetzt lag Suor Maria, die sie so warm und freundlich empfangen und im Kloster aufgenommen hatte, ebenfalls tot in ihrer Zelle. Wer mordete hier in diesem Kloster und warum? Alle ihre Beobachtungen ergaben kein vernünftiges Bild. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr eines: Tante Francescas Brief mit dem Schlüssel-Wort spielte bei diesem Geschehen eine besondere Rolle. War Suor Maria nachts in der Backstube gewesen und hatte den Schlüssel gesucht? Hatte sie gewusst, wo er zu finden war? Schließlich waren beide Frauen mit rußigen Händen gefunden worden.
Ohne viel zu überlegen, rappelte sie sich auf und lief zur Backstubeder Klosterküche. Sie musste nachsehen, ob sie die richtige Beobachtung gemacht hatte.
Als sie eintrat, dampften gerade die letzten Brotlaibe auf einem Abkühlbrett. Der Raum war leer bis auf die Schwester Bäckerin. Suor Crescenza räumte die Asche aus dem Backofen. Die Tür stand sperrangelweit auf.
»Wann habt Ihr heute Nacht mit dem Backen begonnen, Schwester?«, fragte Isabella, als sie über die Türschwelle trat.
Suor Crescenza fuhr herum. »Ihr habt mich vielleicht erschreckt!« Sie wischte sich die schmutzigen Hände an der Schürze ab. »Warum wollt Ihr das wissen, Isabella?«
»Um welche Zeit?«, bestand Isabella auf ihrer Antwort.
Suor
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