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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht nur Wein und Öl aufbewahrt und versandt, sondern auch Schriftrollen. Diese Mariam hat anscheinend ihre Lebensgeschichte aufgezeichnet. Wenn wir jetzt annehmen, sie habe sie weder in Baumrinde geschnitzt noch in Stein gemeißelt oder in Wasser aufgelöst, könnte sie diese aufgeschrieben haben. Versteht Ihr, was ich meine?«
    Padre Antonio musste zuerst schlucken. Was der Alte da sagte,
war so ungeheuerlich, dass sich sein Geist dagegen sträubte.
    Doch dann brannte sich der Gedanke in seinen Kopf ein wie ein Mal auf der Stirn.
    Es gab über die Zeit Jesu Christi nur eine Handvoll Aufzeichnungen, die Evangelien. Zwar hatte die Kirche im Laufe der Zeit viele unterschiedliche Berichte über das Leben Christi verworfen, wie das Thomasevangelium oder sogar ein Evangelium der Maria aus Magdala. Sie galten als apokryphe Dokumente, ketzerisch und dem anerkannten Glauben zuwider. Doch ein Lebensbericht der Mutter Jesu war bislang unbekannt geblieben.
    »Ihr glaubt also wirklich, es existiert ein Evangelium von der Hand Marias, der Mutter des Herrn?«, stieß er hervor.
    Der Alte nickte bedächtig. »Mehr als das, die Andeutung lässt vermuten, dass es nach Aquileja geschafft worden ist. Wenn man zudem bedenkt, dass sich die Bewohner der Stadt in der Zeit des Zerfalls des Römischen Reiches in die Lagune zurückgezogen und dort eine Kolonie, nämlich unsere Serenissima Venedig, gegründet haben, dann sollte man die richtigen Schlüsse ziehen. Es existiert noch immer!«
    Padre Antonio verschlug es die Sprache. »Allzu viele Spekulationen und Vielleichts und Vermutungen«, brachte er nach einiger Zeit krächzend vor. Wieder fühlte er diese Schwerelosigkeit, diesen Schwindel, der ihn zu Beginn bereits gepackt hatte.
    »Es würde zumindest einen Sinn ergeben, wenn man annähme, die Custodes Domini seien die Bewahrer dieses Manuskripts.« Padre Antonio musterte den Alten und fragte sich, wie viel der von seiner eigenen Geschichte glaubte. Dennoch erinnerte er sich an die besorgten Falten auf der Stirn des Kardinals Hieronymus Aleander, der ihn nach Paris hatte kommen lassen, um ihm seine Befürchtungen mitzuteilen. »Diesen Hinweis auf die Custodes Domini «, hatte er das Gespräch damals eröffnet, »gilt es zu verfolgen, Antonio. Was immer sich dahinter verbirgt, es könnte auch zu unserem Nachteil gereichen. Nur die römischeKirche ist der wahre Wächter des Glaubens. Nicht auszudenken, wenn die neue Richtung, die von diesem Martinus Luther angeführt wird, sich einer Entdeckung bemächtigte, die besser unbekannt geblieben wäre.«
    Padre Antonio lief selbst in dem überaus warmen Raum, in dem sich die Manuskripte türmten, ein Schauer den Rücken entlang.
    »Was habt Ihr sonst noch in der Hand?«, versuchte er seine Erregung zu unterdrücken.
    »Nichts. Ich suche. Wenn es diese Schrift jemals gegeben hat, muss sie Spuren hinterlassen haben. Diesen Spuren folge ich. Meist führen Spuren zu einem Ziel.«
    »Ich weiß«, entgegnete der Pater. »Und welches Ziel habt Ihr im Auge?« Padre Antonio wurde sich plötzlich bewusst, dass er die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen hatte und nervös darauf herumkaute. »Wisst Ihr, wohin die Fährte führt?«
    »Wenn Ihr darunter versteht, ob ich die Amphore gefunden habe, muss ich Euch enttäuschen, Padre.« Der Alte ließ eine Pause entstehen wie einen eisigen Nebel, der sich nur langsam zu Boden senkte. »Wenn es für Euch allerdings einen Erfolg bedeutet zu wissen, wo sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach befindet, dann darf ich mit aller Bescheidenheit sagen: Ja.«
    Padre Antonios Lippen zuckten unregelmäßig nach vorne, als müsste er beständig jemanden küssen. Er konnte diese Bewegung nicht beherrschen. Sie nahm Besitz von ihm und ließ ihn aussehen wie einen Narren. Er benetzte die Lippenspitzen, um sich zu beruhigen, räusperte sich, fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ihr wisst also, wo sie verborgen ist?«
    »Nein, nicht genau. Allerdings vermute ich, dass die Morde mit der Suche nach dieser Amphore und ihrem Inhalt zu tun haben könnten. Eine weitere Instanz ist darauf aufmerksam geworden – und sie scheint nicht zimperlich zu sein.« Die Blicke der beiden Männer bohrten sich ineinander. Padre Antonio konntenicht sagen, dass ihm dieser Mann besonders sympathisch war, dennoch ging ein Reiz von ihm aus.
    »Hört zu, ich will Euch etwas vorschlagen. Ihr seid ein Jäger, wie ich einer gewesen bin. Vor dreißig Jahren vielleicht.« Der alte Bibliothekar lachte

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