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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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meine Hände mit seinen. Erst nach einer Weile ließ er los.
    Als ich das Etui öffnete, konnte ich selbst in dem schwachen Licht, das von Rosslyn herüberleuchtete, die Einzelheiten eines abgegriffenen Schwarz-Weiß-Fotos ausmachen,
das mit Aquarellfarben koloriert war, um es als Farbfoto erscheinen zu lassen: Es sah aus wie das Foto einer vierköpfigen Familie.
    Zwei kleine Jungen - vielleicht vier und acht Jahre alt - saßen auf einer Gartenbank. Beide trugen weite, von einem Gürtel um die Taille gehaltene Hemdchen und Kniebundhosen und hatten gelocktes flachsblondes Haar. Sie schauten unsicher lächelnd in die Kamera, als wären sie noch nie zuvor fotografiert worden. Hinter ihnen stand ein muskulöser Mann mit widerspenstigen Haaren und intensiven dunklen Augen in einer entschlossen beschützerischen Haltung. Aber es war die Frau, die neben ihm stand, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    »Das bin ich mit deinem Vater, dem kleinen Sascha«, sagte Nim mit erstickter Stimme, wie ich es noch nie bei ihm erlebt hatte. »Wir sitzen auf einer Steinbank in unserem Garten auf der Krim. Und das sind unsere Eltern. Es ist das einzige Foto, das von unserer Familie existiert. Damals waren wir noch glücklich. Es wurde aufgenommen, kurz bevor wir erfuhren, dass wir würden fliehen müssen.«
    Ich starrte wie gebannt auf das Foto. Vor Angst blieb mir fast das Herz stehen. Diese prägnanten Gesichtszüge, die ich nie würde vergessen können, und ihr weißblondes Haar, das noch heller war als das meines Vaters.
    Nims Stimme schien wie durch einen endlos langen Tunnel zu mir durchzudringen. »Gott weiß, wie es möglich ist«, sagte er, »aber ich kenne nur einen Menschen, der dieses Foto nach all der Zeit besessen haben könnte, einen Menschen, der seine Bedeutung versteht, der es mir zusammen mit dem Kärtchen und der Schachbrettzeichnung geschickt haben könnte. Nur einen einzigen.«
    Er schaute mich mit ernster Miene an. »Was es bedeutet,
meine Liebe, ist, dass unabhängig von allem, was ich all die Jahre geglaubt habe - und so unmöglich es mir auch erscheinen mag -, diese Frau auf dem Foto, meine Mutter, immer noch lebt.«
    Sie war ganz sicherlich noch am Leben. Das konnte ich selbst bezeugen.
    Sie war die Frau aus Sagorsk.

Zwei Frauen
     
     
     
     
Zwei Frauen waren die Ersten, die uns gezeigt haben,
was Gier bedeutet:
Eva, als sie im Paradies einen Apfel aß;
Persephone, als sie in der Unterwelt einen Granatapfel aß.
    ALEXANDRE DUMAS, Le Grand Dictionnaire de Cuisine
     
     
     
     
    Ich erwachte vom lauten Trällern eines Zaunkönigs vor meinem Schlafzimmerfenster. Das Geräusch war mir sehr vertraut. In jedem Frühling tauchte dasselbe Männchen auf und sang immer die gleiche Melodie. Er hüpfte aufgeregt herum und versuchte, die Aufmerksamkeit seines Weibchens auf einen möglichen Nistplatz direkt unter dem Dachgesims zu lenken, wo er in einer Nische ein paar Zweige und Gräser angehäuft hatte. Sie sollte es sich dort gemütlich machen, bevor jemand anders diese Spitzenlage entdeckte - einer der wenigen Orte am Kanal, den umherschweifende Katzen nicht erreichen konnten.
    Aber plötzlich dämmerte mir, dass es, wenn der Zaunkönig schon munter war und sich die Seele aus dem Leib sang, nicht mehr früh am Morgen sein konnte. Ich setzte mich im Bett auf, um einen Blick auf die Uhr zu werfen, konnte aber den Wecker nirgendwo entdecken. Jemand hatte ihn entfernt.
    Mir dröhnte der Schädel. Wie lange hatte ich wohl geschlafen? Wie war ich überhaupt hierhergekommen, in meinen
Schlafanzug und in mein Bett? Nur ganz allmählich sickerten die Ereignisse des Vortags in mein konfuses Gehirn.
    Rodos merkwürdiges Verhalten, angefangen in seiner Villa bis zum Sutalde. Dieses Abendessen, bei dem die Gäste vor dem Betreten des Restaurants von Geheimdienstleuten kontrolliert worden waren, mit den von mir meistgehassten Personen auf diesem Planeten, den Livingstons, in der Rolle der Gastgeber. Und schließlich Nims unerwartetes Auftauchen in meiner Wohnung und unser nächtlicher Spaziergang über die Brücke. Als er mir dieses Foto gezeigt hatte …
    Die ganze Geschichte kam mir wieder in den Sinn und jagte mir kalte Schauder über den Rücken.
    Diese mysteriöse blonde Frau in Sagorsk, die Frau, die versucht hatte, mich zu warnen - war meine Großmutter!
    Ich hatte meinem Onkel gesagt, dass die Frau auf dem abgegriffenen Familienfoto die Frau war, die mir vor zehn Jahren dieses Kärtchen zugesteckt hatte, nur

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