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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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Kohlen beugte und den Rauch einatmete, konnte er ein Husten kaum unterdrücken, der Fluch seines Berufsstands: schwarze Lunge vom ständigen Einatmen des Holzkohlenrauchs. Hin und wieder trank er einen Schluck von dem Champagner, den Kimberly ihm eingeschenkt hatte. Während er die vielen Stücke zusammenfügte und so nach und nach ein komplexes und faszinierendes Bauwerk entstand, räusperte er sich schließlich, um zum Prinzen und seinem Personal zu sprechen.
    »Ihr alle kennt meine Lebensgeschichte«, begann Carême, »und wisst, dass ich wie Aschenputtel aus der Asche der Anonymität
an die Paläste Europas gelangt bin. Wie ich, von meinem Vater als zerlumptes Kind an den Toren von Paris ausgesetzt, entdeckt und von dem berühmten Patissier Bailly in die Lehre genommen wurde. Und wie ich schließlich in die Dienste des Kochs von Prinz Talleyrand kam, des großen Boucher.«
    Allein die Erwähnung des Namens Boucher hatte in allen Küchen Europas Ehrfurcht ausgelöst, denn jeder wusste, dass Boucher einst der berühmte Maître d’Hôtel des Prinzen von Condé gewesen war, eines Sprosses einer der mächtigsten Familien Frankreichs.
    In der Tradition einer langen Reihe von Küchenchefs - angefangen mit dem beinahe schon legendären Vâtel, der sich in sein Schwert gestürzt hatte, als die Meeresfrüchte für ein Bankett nicht rechtzeitig geliefert wurden -, hatte Boucher jahrelang in den Küchen der Condés in Paris und Chantilly Küchenjungen und Köche ausgebildet. Diese Männer waren später Chefköche in den großen Häusern Europas und der Vereinigten Staaten geworden - unter ihnen James Hemings, ein Sklave von Thomas Jefferson, der während der fünfjährigen Diplomatentätigkeit des Amerikaners unter Bouchers Anleitung ausgebildet worden war.
    Als Louis-Joseph, Prince de Condé, ins Ausland geflohen war und von dort eine österreichische Armee gegen das revolutionäre Frankreich anführte, hatte Talleyrand dessen Koch Boucher vor der Rache des Mobs gerettet und ihm eine neue Anstellung besorgt.
    Und schließlich hatte Boucher den jungen Pastetenbäcker in Baillys Patisserie entdeckt und ihn Monseigneur Talleyrand empfohlen.
    »Aschenputtel, in der Tat«, fügte der Chefkoch hinzu. »Und mit einem Namen wie meinem, Carême - eine Abkürzung von quarantième, die vierzigtägige Fastenzeit, die mit dem
Aschermittwoch beginnt -, kann man sich vielleicht vorstellen, dass ich mich in der althergebrachten Tradition des Fastens eher dafür interessiert hätte, in Sack und Asche zu gehen, als mich der Kunst des Schwelgens zu widmen!
    Aber bei jedem meiner großen Lehrer und Dienstherren habe ich ein bisschen mehr über den mysteriösen Zusammenhang dieser beiden Dinge - Fasten und Schwelgen - gelernt und auch darüber, was beides mit dem Feuer zu tun hat. Aber ich schweife ab. Zuerst möchte ich etwas über diese Kreation sagen, die ich heute Abend für den Prinzen, seine Gäste und seine Familie herstelle.«
    Carême warf Talleyrand einen Blick zu, der mit einem Nicken zu verstehen gab, er solle fortfahren. Der Koch entrollte ein Pergament mit eigentümlichen Zeichen aus Bögen und Linien und stürzte eine der Zuckerformen auf das ausgerollte Pergament, ein achteckiges Gebilde von etwa einem Meter Durchmesser. Dann setzte er nacheinander jeweils ein kleineres Achteck auf das vorhergehende, sodass ein gestufter Turm entstand. Schließlich packte er mit einer Zange eine der gedrehten Säulen und hielt sie kurz an die glühenden Kohlen, bevor er mit seinem Kunstwerk sowie seinem Vortrag fortfuhr.
    »Von Bailly, dem Meisterpatissier, habe ich die großartige Kunst der Zuckerartistik gelernt«, sagte er. »Er ließ mich nachts Zeichnungen antiker Gebäude kopieren und studieren, die er sich aus dem Louvre ausgeliehen hatte. Mit der Zeit begriff ich, dass die schönen Künste fünf an der Zahl sind, als da wären: Malerei, Bildhauerei, Dichtung, Musik und Architektur, deren höchster Ausdruck die Konditorei ist. Mit der gleichmäßigen und geübten Hand eines erfahrenen Architekten und Geometers lernte ich jene Bauwerke der Antike zu zeichnen - der griechischen, römischen, ägyptischen, indischen und chinesischen
-, um eines Tages architektonische Meisterwerke aus Zucker erschaffen zu können wie dieses hier.
    Was ihr vor euch seht, stellt das großartigste aller frühen Bauwerke dar, zukunftsweisend für alles, was Vitruvius inspiriert hat. Man nannte es Turm der Winde; es war ein berühmter achteckiger Turm in Athen,

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