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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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teilen müssen - genauer gesagt, noch heute Nacht -, möchte ich, dass du dir deine Kraft für diese Begegnung aufsparst. Du bist der Einzige, der uns möglicherweise helfen kann, denn wie du weißt, bist du der einzige Mensch, den ich jemals ins Vertrauen gezogen habe, und der einzige, der die ganze Wahrheit kennt.«
    Carême nickte, um deutlich zu machen, dass er wieder einmal
bereit war, dem Mann zu dienen, den er immer als seinen größten Gönner bezeichnet hatte. Und als noch viel mehr.
    »Wird die Frau heute Nacht in Valençay erwartet?«, fragte Carême.
    »Nein, ihr Sohn wird herkommen«, erwiderte Talleyrand und legte seinem Koch in ungewohnter Vertraulichkeit eine Hand auf die Schulter. Und nachdem der tief Luft geholt hatte, fügte er leise hinzu: »Das heißt, unser gemeinsamer Sohn.«

    Beim Anblick seines Sohnes, dem er erst einmal in seinem Leben begegnet war, kamen Talleyrand die Tränen. Mit einem Mal erinnerte er sich wieder an die Verbitterung, die ihrem Abschied vor so vielen Jahren in Bourbon-l’Archambault gefolgt war.
    Nachdem alle zu Abend gegessen hatten und die Kinder im Bett waren, betrachtete Talleyrand von seinem Gartenstuhl aus den Sonnenuntergang, der in lavendelfarbenes Zwielicht überging - seine Lieblingstageszeit. In seinem Inneren jedoch kämpften unzählige widerstrebende Empfindungen miteinander.
    Carême hatte sie allein gelassen, damit sie sich unter vier Augen unterhalten konnten, aber zugesichert, sich schon bald mit einer Karaffe alten Madeiras und einigen Antworten, die beide suchten, zu ihnen zu gesellen.
    Talleyrand schaute über den kleinen Gartentisch, den der Koch ihnen unter den Ästen einer gewaltigen Linde im Park aufgebaut hatte. Als er den irgendwie romantisch anmutenden jungen Mann musterte, das Produkt seiner Leidenschaft vor mehr als dreißig Jahren, überkam ihn ein überraschend schmerzhaftes Gefühl.
    Charlot, der soeben aus Paris eingetroffen war und noch
seine Reitkleidung trug, hatte sich nur Zeit genommen, den Staub abzuklopfen und ein sauberes Hemd und ein frisches Halstuch anzuziehen. Sein rötliches Haar trug er im Nacken zu einem Zopf gebunden, aus dem einige widerspenstige Locken hervorlugten. Schon dieses kleine Detail weckte die Erinnerung an die wohlriechende rötliche Lockenpracht von Charlots Mutter, in die Talleyrand immer sein Gesicht getaucht hatte, wenn sie sich liebten.
    Bis sie ihn verließ.
    Aber an allen anderen Details stellte Talleyrand fest, dass Charlot eher ihm selbst ähnelte: diese kühlen blauen Augen, die deutlich machten, dass sie um keinen Preis die geheimsten Gedanken ihres Besitzers enthüllen würden. Die hohe Stirn, das energische Kinn und die Stupsnase wiesen ihn als Spross der langen, edlen Familienlinie der Talleyrands von Périgord aus. Und diese überraschend sinnlichen Lippen - das war der Mund eines geborenen Kenners feiner Weine, schöner Frauen und aller sinnlichen Genüsse.
    Allerdings hatte Talleyrand auf Anhieb erfasst, dass all das auf seinen Sohn nicht zutraf.
    Und um Blutsverwandtschaft war es gegangen, als Maurice vor langen Jahren Charlots Bitte gefolgt war. Charlot hatte schon als kleiner Junge vorgeschlagen, dass Talleyrand Charlotte innerhalb seiner Familie verheiraten sollte, damit sie nicht das Schicksal ihres Bruders würde teilen müssen. Der Torheit seiner Eltern, nicht zu heiraten, hatte Charlot es zu verdanken, dass er als uneheliches Kind niemals das Erstgeburtsrecht besitzen und nicht einmal die Ländereien seines Vaters würde erben können. Und da Talleyrand angesichts des französischen Rechts daran wenig ändern konnte, würden Charlots markante Züge das Einzige bleiben, was er vom Adelsgeschlecht der Talleyrand-Périgord erben würde.

    Aber selbst Charlots körperliche Merkmale, so stellte Talleyrand fest, schienen gegen ihre angeborene Disposition zu rebellieren. Mochten seine Lippen noch so sehr auf Sinnlichkeit schließen lassen, der Ausdruck seines Mundes verriet jene innere Entschlossenheit, die ihn von woher auch immer hierhergeführt hatte, und zwar mit einer Zielstrebigkeit, die er nicht von seiner Mutter, sondern eindeutig von seinem Vater hatte.
    Dann diese Augen, die auf den ersten Blick so eiskalt und beherrscht gewirkt hatten. In ihrem tiefen Blau entdeckte Talleyrand ein Geheimnis, ein Mysterium, das - und auch das war sehr deutlich - Charlot dazu bewogen hatte, diese weite Reise zu unternehmen, um es seinem Vater zu enthüllen, weil er es niemand anderem anvertrauen

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