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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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der einen Raum für die Beobachtung des Himmels und eine kunstvolle Wasseruhr enthielt. Er wurde hundert Jahre vor Christus von Andronikos von Kyrrhos erbaut und steht noch heute. Vitruvius schreibt: ›Viele sprechen von vier Winden … Aber gewissenhaftere Forscher gehen von acht aus.‹ Acht: eine heilige Zahl, die den Entwürfen der meisten Tempel der Antike in Persien und Indien zugrunde liegt.«
    Alle sahen gebannt zu, als die Finger des Maître über das Gebilde mit den architektonischen Komponenten strichen, die er auf wundersame Weise erschaffen hatte. Nachdem sein Bauwerk vollendet war, maß es zwei Meter in der Höhe und überragte alles im Raum, ein achteckiger Turm mit erstaunlichen Details wie zum Beispiel den Reliefs unter dem Dach, die die acht Winde darstellen. Jeder im Raum applaudierte begeistert, auch der Prinz.

    Das Personal machte sich wieder an die Arbeit, und Talleyrand begleitete den Chefkoch in den Garten. »Eine bemerkenswerte Leistung - wie immer«, sagte Talleyrand. »Aber, mein lieber Antonin, ich fürchte, dass ich irgendetwas nicht mitbekommen habe. Kurz bevor du mit deiner architektonischen Rekonstruktion des vermutlich außergewöhnlichsten Bauwerks im alten Griechenland begonnen hast, hast du etwas Geheimnisvolles erwähnt, das dich dazu bewogen hat, den Turm der Winde nachzubauen. Es hatte, soweit ich mich
erinnere, mit Fasten und Schwelgen zu tun - mit Sack und Asche. Ich muss gestehen, dass mir der Zusammenhang immer noch unklar ist.«
    »Ja, Hoheit«, erwiderte Carême und schaute seinem Dienstherrn und Mentor nach kurzem Zögern in die Augen. Denn beide wussten, wonach Talleyrand insgeheim fragte. »Vitruvius selbst zeigt uns - indem er einen Gnomon errichtet, um die Höhe des Sonnenstands zu bestimmen, und indem er einen Kompass benutzt, um einen einfachen Kreis zu konstruieren -, wie wir ein Oktagon errichten können, das heiligste Bauwerk, wie man in der Antike wusste, denn es ist der göttliche Vermittler zwischen Kreis und Quadrat.
    In China heißt das Oktagon ba’gua und ist die älteste Form der Weissagung. In Indien wird die Acht zum Quadrat aschtapada genannt - die Spinne -, das älteste bekannte Brettspiel. Es ist ebenfalls die Basis des Mandalas, auf dem die hinduistischen und persischen Feuertempel errichtet wurden. Weniger bekannt ist, obwohl Vitruvius es sicherlich wusste, dass die Acht auch die frühesten Formen des Altars repräsentierte, auf dem Brandopfer dargebracht und Dinge verwandelt wurden - wo der Himmel auf die Erde gebracht wurde wie ein Blitz aus dem Firmament. Während der acht Feuerfeste, die jedes Jahr begangen wurden, gehörten das Brandopfer, das man Gott darreichte, und die Speisung der Menschen untrennbar zusammen.«
    Dann fügte er hinzu: »Deshalb wurden die Mitte des Hauses, die Mitte des Tempels und die Mitte der Stadt Focus genannt - was so viel heißt wie Feuerstelle. Wir Köche sind alle gesegnet. Denn ein Koch oder ein Magus zu sein, ein Meister des Feuers, des Festmahls und des Opfers, war in alten Zeiten die heiligste Berufung.«
    Leider konnte Carême nicht weitersprechen. Trotz der frischen
Luft im Garten, oder vielleicht auch gerade deswegen, wurde er erneut von einem Hustenanfall geschüttelt.
    »Du opferst dich selbst dieser heiligen Berufung und diesen Kohlen, mein Freund«, bemerkte Talleyrand und hob eine Hand, um einen Mundschenk zu rufen, der mit einem weiteren Glas Champagner aus dem Haus gelaufen kam und es dem Koch reichte. Nachdem der Mundschenk gegangen war, sagte Talleyrand: »Du weißt natürlich, warum ich dich hierhergebeten habe?«
    Carême, der an seinem Champagner nippte und sich vom Husten erholte, nickte.
    »Deshalb bin ich auch auf schnellstem Wege hergekommen, Sire - auch wenn ich es hätte besser bleiben lassen sollen, denn Ihr seht ja selbst, dass ich krank bin«, erwiderte er mit erstickter Stimme. »Es geht um die Frau, nicht wahr? Sie ist irgendwie zurückgekommen - die Frau, die in jener Nacht vor so vielen Jahren nach Paris kam, als ich an Eurem Palast, dem Hôtel Galliffet in der Rue de Bac, unter Boucher Sous-Chef war. Die später dann in Bourbon-l’Archambault mit Charlotte erschien. Für sie musste ich damals in Eurem Auftrag all die Schachfiguren sammeln. Mireille …«
    »Wir dürfen nicht offen darüber sprechen, mein lieber Freund«, unterbrach ihn Talleyrand. »Wir beide sind die einzigen Menschen auf der Welt, die diese Geschichte kennen. Und auch wenn wir sie sehr bald mit jemandem werden

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