Die Botschaft des Feuers
Freunde.
Wenig mehr als ein Monat war seit Alexandres Ankunft vergangen, als Fourier - inzwischen ein alternder Revolutionär von zweiundsechzig Jahren - meinte, wir müssten Alexandre in unser Geheimnis einweihen, und zwar vollständig, einschließlich Byrons Beteiligung, damit er bei seiner Rückkehr Lafayette seinerseits über alles in Kenntnis zu setzen vermochte.
Wir waren der Wahrheit so nah.
Wir hatten das erste Stadium erreicht - den Stein der Weisen, wie er in der Alchemie genannt wird -, das rötliche Pulver, das zu allem anderen führte, so wie ich es seit meinem zehnten Lebensjahr vorhergesehen hatte. So ließe sich der perfekte Mensch erschaffen, vielleicht wäre es sogar der erste Schritt hin zu einer perfekten Zivilisation, die ins Leben zu rufen das Schachspiel erschaffen worden war. Wir hatten den Stein in Bienenwachs gehüllt und das schwere Wasser zur richtigen Jahreszeit aufgefangen.
Ich wusste, die Zeit war gekommen. Ich stand an der Schwelle der Verlängerung meiner perfekten Gegenwart in eine unendliche perfekte Zukunft.
Ich nahm etwas von dem Pulver in den Mund.
Spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter.
Und an dem Punkt ist irgendetwas entsetzlich schiefgegangen.
Ich blickte auf. Haidée stand in der Tür zum Labor und hatte die Hand auf die Brust gepresst. Ihre silbrigen Augen waren weit aufgerissen und glänzten. Neben ihr stand die letzte Person, mit der ich gerechnet hatte, und umklammerte ihre Hand: Kauri. »Nein!«, schrie meine Frau.
»Es ist zu spät«, sagte Kauri.
Die schrecklichen Qualen, die sich in seinem Gesichtsausdruck widerspiegelten, werde ich nie vergessen. Ich starrte die beiden an. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis ich ein Wort herausbrachte. »Was habe ich getan?«, fragte ich mit erstickter Stimme, als mir dämmerte, was für ein Unheil ich mit meiner heimlichen Handlung angerichtet hatte.
»Du hast alle Hoffnung zerstört«, flüsterte Haidée.
Ehe ich begriff, was sie meinte, verdrehte sie die Augen und fiel in Ohnmacht. Kauri fing sie auf und bettete sie auf den Boden, und ich eilte quer durch das Labor, um ihm zu helfen. Aber im nächsten Augenblick raubte der Trank mir die Sinne. Schwindel überkam mich, und ich setzte mich neben meine daniederliegende Frau. Kauri kauerte sich in seinem langen Gewand neben uns.
»Niemand hätte je geglaubt, dass du das wirklich tun würdest«, sagte er ernst. »Du bist der, dessen Ankunft geweissagt war, was sogar mein Vater wusste. Er glaubte, du und deine Mutter - der weiße König und die schwarze Dame - hättet die Kraft, die Aufgabe zu vollbringen, die Das Buch
der Balance fordert. Doch nun, fürchte ich, kann unsere Hoffnung nur noch darin bestehen, die Figuren, die wir haben, in alle Winde zu verstreuen - sie zu verstecken und so zu schützen, bis ein anderer erscheint, der diesem Spiel ein Ende setzen kann. Aber nachdem du von dem Elixier getrunken hast, nachdem du der Gier erlegen bist, die so viel stärker ist als der Verstand, kannst du diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Das kann nur jemand tun, der bereit ist, die Figuren, wenn nötig, für die Ewigkeit zu beschützen, ohne in Versuchung zu geraten, den Lohn des Spiels für sich selbst zu ernten.«
»Die Ewigkeit?«, fragte ich verwirrt. »Du meinst, wenn Haidée auch von dem Elixier trinkt, werden wir bis in alle Ewigkeit durch die Welt wandern und die Figuren beschützen müssen, bis ein anderer kommt, der die tiefere Antwort auf das Mysterium findet?«
»Nicht Haidée«, erwiderte Kauri. »Sie wird niemals davon trinken. Seit Haidée damals, als wir noch Kinder waren, den Auftrag akzeptiert hat, der ihr auferlegt wurde, hat sie kein einziges Mal zu ihrem persönlichen Vorteil gehandelt oder zum Vorteil derer, die sie liebt. Alles stand immer im Dienst der höheren Mission, für die das Spiel ursprünglich erschaffen wurde.«
Ich schaute ihn voller Entsetzen an. Der Schwindel verursachte mir Übelkeit. Was hatte ich nur getan?
»Würdest du ihr denn diese Zukunft wünschen, die du jetzt vor dir hast?«, fragte Kauri leise. »Oder willst du ihr Schicksal in Allahs Hände legen?«
Ob Allah oder das Schicksal oder Kismet, es war nicht an mir, eine Wahl zu treffen. Denn nach weniger als einem Monat kamen meine Mutter und Schahin, weil sie ein Notruf erreicht hatte.
Mein Sohn, Alexandre Dumas de Remy, wurde geboren. Und drei Tage später starb Haidée. Den Rest kennt ihr.
Nachdem Wartan den Brief zu Ende gelesen hatte, legte er ihn so
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