Die Botschaft des Feuers
Rot, Blau, Gold und Gelb, sondern auch in Grüntönen aller Schattierungen, dazu in Safrangelb, Kürbisorange, Blaugrün und Mitternachtsblau. Diese wunderschöne antike Dame musste in irgendeiner Verbindung zu der Dame stehen, die wir suchten, aber in welcher?
Wartan las laut aus einem ausliegenden Katalog vor: » Junge Männer, preist Hestia, die älteste aller Gottheiten - so lautete der Aufruf zum Gebet. Anscheinend wurde sie im Gottesdienst angerufen, so wie die russische Schwarze Madonna von Kasan, über die wir gelesen haben. Hier steht, dass Hestia die Schutzgöttin des Prytaneums war - des Gemeindehauses, das jede Stadt im antiken Griechenland besaß und in dem die ewige Flamme brannte.
Die Gestaltung des Wandteppichs, steht hier - die Anordnung der acht Figuren, der sechs Putten und der beiden Diener der Göttin -, ist nicht griechisch, sondern erheblich älter und eher typisch für das heidnische Babylon, für Ägypten und Indien. Da steht ja noch etwas auf Griechisch - mal sehen.«
Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr abwenden von diesem fantastischen Wandteppich mit den frischen Blumenfarben, die im Hintergrund zu schweben schienen, der schönen Göttin des Feuers, eingefasst in kostbare Edelsteine - genau wie das Montglane-Spiel. Wo war die Verbindung? Die beiden Diener links und rechts von ihr sahen aus wie Engel. Der männliche Diener hielt so etwas wie eine Pergamentrolle in den Händen, während die Dienerin zu ihrer Rechten ein
Buch mit einem griechischen Wort auf dem Deckel in der Hand hielt. Die Geschenke, die Hestia an die Putten verteilte, sahen aus wie Kränze, auf denen ebenfalls Worte geschrieben schienen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, übersetzte Wartan: »Die Kränze sind das Geschenk des Feuers - das sind die ›Segnungen‹ - Wohlstand, Frohsinn, Lobpreisung, Überfluss, Verdienst, Fortschritt. Am Herd der Hestia im Prytaneum wurden die gemeinschaftlichen Festmähler abgehalten - sie war die Schutzpatronin der Köche. Und bei den Panathenäen, den großen alljährlichen Festen am legendären Geburtstag der Athene, wurden Staffelläufe veranstaltet, bei denen die ewige Flamme von ihrem Herd weitergegeben wurde, um die Stadt zu verjüngen. Aber Moment mal - sie steht auch in Verbindung mit Hermes. Als Göttin des Feuers repräsentiert Hestia das Innere, die Stärke der Stadt. Hermes ist der Gott der Reise, der Fremden, der Nomaden, der Zirkulation des Wohlstands.« Wartan sah mich an. »Sie ist das Quadrat, und er ist der Kreis - Materie und Geist.«
»Und«, erinnerte ich ihn, »in Galens Geschichte heißt es doch auch, dass Hermes, der in Ägypten Thoth genannt wurde, auch der griechische Gott der Alchemie war.«
»Und Hestia, die Feuergöttin«, ergänzte Wartan, »ist die Quelle der Umwandlungen, die im alchemistischen Prozess stattfinden, unabhängig, wo dieser stattfindet. Hier steht, dass alles in diesem Wandteppich eine symbolische Bedeutung hat. Aber bei den Symbolen, auf die sich deine Mutter bezieht, geht sie sicherlich davon aus, dass sie eine spezielle Bedeutung für dich haben.«
»Du hast recht«, erwiderte ich. »Der Schlüssel, auf den meine Mutter hinweist, muss irgendwo in diesem Bild verborgen sein.«
Aber wenn es um mich ging, warum hatte Rodo dann gesagt, er könne sich vorstellen, wohin wir unterwegs seien? Ich betrachtete den Wandteppich noch genauer, während ich mein Gedächtnis durchforstete nach allem, was wir in dieser einen Woche über die Verbindung zum Feuer erfahren hatten und was dies für al-Dschabir bedeutet haben musste, einen Mann, der vor tausendzweihundert Jahren ein Schachspiel erschaffen hatte, das die uralte Weisheit aus allen Zeiten enthielt - die, eingesetzt für persönliche Zwecke, äußerst gefährlich war, im großen Rahmen jedoch für alle Heil bringend sein konnte.
Hestia schien mich direkt anzusehen. Ihre Augen hatten eine seltsame blaugrüne Farbe, nicht im Geringsten ägyptisch. Sie schien meine Seele ergründen zu wollen und mir eine wichtige Frage zu stellen; nicht ich war diejenige, die fragte. Ich lauschte einen Augenblick lang.
Und dann wusste ich es.
Das Schachbrett ist der Schlüssel .
Wie man sät, so wird man ernten .
Ich nahm Wartans Hand. »Lass uns gehen«, sagte ich und strebte dem Ausgang zu.
»Was ist los?«, flüsterte er, während er mir mit großen Schritten folgte.
Ich steuerte das Tor an, durch das wir den Park betreten hatten; dort hatte ich einen kleinen steinernen Pfad bemerkt, der
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