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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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zurechtzulegen, ehe jemand mit Percys Asche auf seinem Schiff erschien. Womöglich war es schon zu spät.

    Er zerknüllte die Seite mit der Botschaft und setzte seine übliche gelangweilte, verächtliche Miene auf. Dann erhob er sich und humpelte über den heißen Sand zum Feuer hinüber, das Trelawny immer noch schürte. Die dunklen, wilden Gesichtszüge des »Cockney-Korsaren« waren vom Rauch und Ruß fast schwarz, und mit seinen blitzend weißen Zähnen und seinem Schnauzbart wirkte er wie ein Verrückter. Byron lief es kalt über den Rücken, als er den kleinen Papierball scheinbar gleichgültig in die Flammen warf, und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass er Feuer gefangen hatte, wandte er sich an die Männer, die um den Scheiterhaufen standen.
    »Nicht dass ihr irgendwann auch mit mir so eine Farce veranstaltet«, sagte er. »Lasst meine Leiche verrotten, wo sie hinfällt. Dieser heidnische Tribut an einen toten Dichter nimmt mich ziemlich mit, wie ich gestehen muss. Ich brauche ein Bad in den Wellen, um diesen grauenhaften Anblick aus meiner Erinnerung zu löschen.«
    Er ging zurück zum Strand, nickte Captain Roberts zu, um die Verabredung zu bestätigen, dass sie sich später auf seinem Schiff treffen wollten, ließ seinen breitkrempigen Hut in den Sand fallen, zog sich das Hemd aus, warf sich ins Meer und schwamm mit kräftigen Zügen davon. Das Wasser war bereits um diese frühe Stunde warm wie Blut, und die Sonne brannte auf »Albas« blasses Gesicht. Es war nur etwas mehr als ein Kilometer bis zur Bolivar - ein Klacks für einen Mann, der bereits den Hellespont durchschwommen hatte, es reichte jedoch, um den Kopf frei zu bekommen und nachzudenken. Aber obwohl die rhythmischen Schwimmbewegungen und das Salzwasser, das seine Schultern umspülte, sich beruhigend auf ihn auswirkten, kehrten seine Gedanken immer wieder zu ein und demselben Thema zurück: So unwahrscheinlich
es auch scheinen mochte, so gab es doch nur eine Person, auf die sich Percys Botschaft beziehen konnte, nur einen Menschen, der ihm einen Hinweis auf den Verbleib von Ali Paschas verschwundenem Schatz würde geben können. Byron war dieser Person noch nie begegnet, aber ihr eilte ein gewisser Ruf voraus.
    Sie war in Italien geboren - eine Witwe, deren Reichtum Byrons beträchtliches Vermögen bei Weitem in den Schatten stellte. Einst weltberühmt, lebte sie jetzt zurückgezogen in Rom. Doch es hieß, sie habe in ihrer Jugend zu Pferd an den Kämpfen zur Befreiung ihres Heimatlandes von fremden Mächten teilgenommen, ebenso wie Byron und die Köhler es jetzt versuchten.
    Aber obwohl diese Frau sich sehr für die Sache der Freiheit eingesetzt hatte, war sie es auch gewesen, die den letzten titanengleichen »Sonnengott« geboren hatte, wie Keats sich ausgedrückt hatte: Ihr Sohn war ein kaiserlicher Tyrann gewesen, der in seiner kurzen Regierungszeit ganz Europa mit Terror überzogen und sich dann schnell völlig verausgabt hatte. Wie Percy Shelley. Letztendlich hatte der Sohn dieser Frau nichts weiter zustande gebracht, als den Samen der Monarchie der Welt wieder aufzuzwingen. Vor knapp einem Jahr war er unter Qualen und fernab seiner Heimat gestorben.
    Byron spürte die Sonne auf seiner nackten Haut und schwamm noch schneller, um sein Schiff zu erreichen. Wenn er die Botschaft seines Freundes richtig gedeutet hatte, blieb ihm nur wenig Zeit, um seinen Plan umzusetzen.
    Und es kam ihm wie eine Ironie des Schicksals vor, dass der Sohn jener Witwe, wenn er noch lebte, an diesem 15. August Geburtstag gehabt hätte - ein Tag, der in den vergangenen fünfzehn Jahren in ganz Europa gefeiert worden war.
    Die Frau, von der Byron annahm, dass sie wusste, wo Ali
Paschas fehlende schwarze Dame zu finden sein könnte, war die Mutter von Napoleon Bonaparte, Letizia Ramolino Bonaparte.

Palazzo Rinuccini, Rom
    8. SEPTEMBER 1822
     
Hier [in Italien] sind bisher nur die Funken des Vulkans zu sehen,
aber der Boden ist heiß und die Luft schwül … die Gedanken der
Menschen sind in Aufruhr, und niemand weiß, wohin das führen
wird. … Die Zeiten der Könige nähern sich rasch ihrem Ende.
Es wird Blut vergossen werden wie Wasser, und Tränen werden
sein wie Schleier, doch ich sehe es voraus. Die Wellen, die ans
Ufer schlagen, werden eine nach der anderen gebrochen, aber
der Ozean bleibt trotzdem der Sieger.
    LORD BYRON
     
     
    Es war ein warmer, milder Morgen, aber Madame Mère hatte alle Feuer im Palazzo schüren und in allen Zimmern Kerzen

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