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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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unser Land kamen. Manche glauben, wir tragen das Tuch zum Schutz gegen den Wüstensand, andere meinen, es soll uns vor dem bösen Blick schützen. Aber in Wirklichkeit hat der Schleier eine wichtige Bedeutung in der Geschichte unserer Trommlergruppen. In uralten Zeiten nannte man ihn den bösen Mund.«
    »Den bösen Mund?«
    »Es bezieht sich auf die alten Mysterien: ›Dinge, die nicht mit dem Mund ausgesprochen werden dürfen‹. Solche Dinge hat es zu allen Zeiten in allen Kulturen gegeben«, sagte Schahin.
»Unter Eingeweihten allerdings dürfen diese Dinge durch Trommeln weitergegeben werden.«
    Von Schahin wusste Charlot, dass die Mitglieder der Trommlergruppen alle von weiblichen Vorgängerinnen abstammten, die vor langer Zeit Trommlerinnen gewesen waren. Und jeder Anführer der Trommler, häufig eine Frau, war zugleich der Hüter der heiligen Trommel des Stammes, einer Trommel, der mystische Kräfte nachgesagt wurden.
    Ebenso wie die Sufi-Janitscharen, die einen Großteil des Osmanischen Reiches beherrschten, hatten sich die Tuareg über Jahrhunderte hinweg ihrer geheimen Trommelsprache bedient, um Nachrichten über weite Entfernungen zu übermitteln. Diese Trommelsprache war so machtvoll, dass in Ländern, in denen Sklaven gehalten wurden, Trommeln verboten waren.
    »Und diese alten Mysterien der Tuareg - der böse Mund und der Schleier - haben etwas mit deinem Sohn zu tun?«, fragte Charlot.
    »Kannst du ihn immer noch nicht sehen?«, wollte Schahin wissen. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, und doch konnte Charlot den Gedanken hören: Obwohl er so nah ist?
    Charlot schüttelte den Kopf. Dann rieb er sich das Gesicht und fuhr sich mit den Fingern durch das rote Haar, wie um sein träges Gehirn zu wecken. Er betrachtete Schahins Gesicht, das ihn an eine uralte Bronzebüste erinnerte. Schahins bernsteinfarbene Augen waren im Widerschein des Feuers auf ihn gerichtet. Abwartend.
    Mit einem gequälten Lächeln sagte Charlot: »Erzähl mir von ihm. Vielleicht hilft uns das, ihn zu finden, so wie man ein durstiges Kamel in der Wüste an Wasser riechen lässt. Dein Sohn heißt Kauri. Ein ungewöhnlicher Name.«
    »Mein Sohn wurde auf dem Bandiagara-Plateau geboren«,
sagte Schahin. »Im Land der Dogon. Kauri ist das Wort der Dogon für eine Meeresschnecke, die im Indischen Ozean vorkommt, eine Muschel, die wir Afrikaner über Tausende von Jahren als Währung benutzt haben. Aber bei den Dogon besitzt diese kleine Muschel Kauri eine tiefe Bedeutung und eine große Macht. Sie stellt eine Verbindung zum verborgenen Sinn des Universums dar, denn für die Dogon symbolisiert sie den Ursprung der Zahlen und Wörter. Meine Frau hat den Namen für unser Kind ausgesucht.«
    Als er die Verblüffung in Charlots dunkelblauen Augen sah, fügte er hinzu: »Meine Frau - Kauris Mutter - war noch sehr jung, als wir geheiratet haben, dennoch besaß sie große Macht bei ihrem Volk. Ihr Name war Bazu, was in der Sprache der Dogon ›das weibliche Feuer‹ bedeutet, denn sie war eine der Meisterinnen des Feuers.«
    Eine Schmiedin!
    Charlot war schockiert, als er begriff, was das bedeutete. In der Wüste und auch in anderen Ländern wurden Schmiede geächtet, obwohl sie zugleich über große Macht verfügten. Man nannte sie Meister des Feuers, weil sie Waffen, Töpfe und Werkzeuge herstellten. Sie wurden gefürchtet, weil sie geheime Fertigkeiten besaßen und sich einer Geheimsprache bedienten, die nur sie kannten. Sie geboten über die geheimen Techniken der Eingeweihten, und sie besaßen die diabolischen Kräfte, die man uralten Geistern zuschrieb.
    »Und das war deine Frau, Kauris Mutter?«, fragte Charlot erstaunt. »Aber wie konntest du so eine Frau überhaupt kennenlernen und heiraten?« Und ohne dass ich davon gewusst habe! Diese Erkenntnis führte dazu, dass Charlot sich erschöpft und geschwächt fühlte.
    Schahin schwieg eine Weile, seine goldenen Augen blickten besorgt drein. Schließlich sagte er: »Es ist alles so geschehen,
wie es geweissagt war - meine Ehe, die Geburt unseres Sohnes und auch der frühe Tod meiner Frau Bazu.«
    »Geweissagt?«, fragte Charlot. Das Entsetzen, das ihn vorhin beschlichen hatte, kehrte zurück.
    »Geweissagt von dir , Al-Kalim«, sagte Schahin.
    Ich habe es vorhergesagt. Aber ich kann mich nicht daran erinnern.
    Charlot starrte Schahin entgeistert an. Vor Angst war sein Mund ganz trocken.
    »Deswegen habe ich es als schockierenden Verlust empfunden, als ich dich vor drei Monaten im Tassili-Gebirge

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