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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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Gefangene, die in keiner Weise verwandt mit der königlichen Familie war, machte sich keine Illusionen über das Schicksal, das sie erwartete. Warum rief man sie als Einzige in den äußeren Hof? Es konnte nur eins bedeuten: Man hatte irgendwie herausbekommen, wer sie war - oder schlimmer noch, was es mit dem großen Klumpen schwarzer Holzkohle auf sich hatte, den man vor elf Monaten bei ihr gefunden und den der Sultan in seinen Besitz genommen hatte.
    Als sie jetzt zwischen ihren muskulösen Begleitern den Hof überquerte, kamen sie an den Wasserspeiern vorbei, aus denen den ganzen Winter über lauwarmes Wasser in die Becken lief, damit die Fische nicht erfroren. Das filigrane Gitterwerk der maurischen Säulengänge rund um den Innenhof mit seinem aus Gips modellierten Dekor habe, so hieß es, sechshundert
Jahre überdauert, weil man die zermahlenen Knochen christlicher Sklaven unter den Gips gemischt hatte. Haidée hoffte, dass sie in diesem entscheidenden Augenblick nicht dasselbe Schicksal erwartete. Ihr Herz raste vor Aufregung und vor Angst.
    Seit fast einem Jahr wurde Haidée jetzt schon als Odaliske im Palast gefangen gehalten, umgeben von den Eunuchen und Sklaven des Sultans. Der königliche Palast Dar El Makhzen, der ein Areal von achtzig Hektar umfasste, besaß prächtige Gärten und Teiche, Militärkasernen, Harems und Hamams. Der Flügel des Palastes, in dem Haidée untergebracht war, ein Labyrinth aus Gemächern, Badehäusern, Innenhöfen und üppigen Gärten, bot ausreichend Platz für tausend Ehefrauen und Konkubinen sowie einen riesigen Stab von Bediensteten.
    Aber so weitläufig der Palast auch sein mochte, für Haidée bot er nur erstickende Enge. Zusammen mit Hunderten anderer Frauen, eingesperrt im Harem mit seinen eisernen Gittern und gegen die Außenwelt durch Fensterläden abgeschotteten Fenstern, war sie isoliert und doch nie allein.
    Und Kauri - der einzige Beschützer und Freund, den sie auf der Welt gehabt hatte, der Einzige, der sie hier in dieser tief im Inland gelegenen Festung würde finden können - war zusammen mit ihrer kompletten Mannschaft von Sklavenhändlern verschleppt worden, als das gekaperte Schiff in den Hafen eingelaufen war. Haidée konnte sich noch lebhaft an den grauenhaften Tag erinnern.
    Auf dem Weg die Adriaküste entlang nach Venedig hatte ihr Schiff den Seehafen Priene umsegelt, wo ein uralter steinerner Leuchtturm seit den Zeiten der Römer Seeleute vor der felsigen Klippe warnte. In dieser Gegend betrieben die letzten Korsaren, die berüchtigten Piraten von Priene, immer noch
ihr schauriges Geschäft: Sie verkauften europäische Sklaven in muslimische Länder, wo man sie »weißes Gold« nannte.
    Als die slowenischen Korsaren ihr Schiff enterten, hatten Haidée und Kauri sofort gewusst, dass dies für sie eine grausame Wende des Schicksals bedeuten würde.
    Es bestand kein Zweifel daran, dass die Angehörigen der kleinen Mannschaft und die beiden jungen Passagiere ausgeraubt und als Sklaven enden würden. Junge Mädchen wie Haidée wurden gewöhnlich als Haremsfrauen oder Prostituierte verkauft, aber auf Kauri wartete wahrscheinlich ein weit schlimmeres Los. Die Sklavenhändler verschleppten solche Jungen in die Wüste, kastrierten sie mit einem Messer und vergruben sie im heißen Sand, um die Blutung zu stillen. Die Jungen, die überlebten, konnten später als Eunuchen im gesamten türkischen Imperium zu Höchstpreisen als Haremswächter verkauft werden, oder an den Vatikan, wo man sie zu Sängern ausbildete.
    Sie konnten nur hoffen, dass die Barbarenküste Nordafrikas nach jahrzehntelangem Beschuss durch die Briten, Amerikaner und Franzosen für Menschenhandel nicht mehr genutzt wurde. Vor fünf Jahren waren in Nordafrika achtzigtausend europäische Sklaven befreit worden, und seitdem war der Seeweg durch das Mittelmeer wieder offen für legalen Handel.
    Aber es gab einen Ort, der immer noch menschliche Beute kaufte, das einzige Land am Mittelmeer, das nie unter der Kontrolle des Osmanischen Reiches oder des christlichen Europa gewesen war: das Sultanat Marokko. In vollkommener Isolation, mit einer Hauptstadt, Fes, die zwischen dem Rif und dem Atlas tief im Inland lag, litt Marokko seit dreißig Jahren unter der eisernen Herrschaft des Sultans Mulai Sulaiman.

    In den Monaten, die sie als Gefangene im Harem des Sultans verbracht hatte, hatte Haidée vieles darüber erfahren, wie dieser Sultan seine Herrschaft ausübte, aber das hatte ihre Ängste nicht mindern

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