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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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Charlot am Brunnen vorbeikam, waren die letzten Gläubigen gerade dabei, die vorgeschriebenen rituellen Waschungen vorzunehmen, bevor sie die Moschee betraten. Schnell zog er sich die Schuhe aus, darauf bedacht, den Blick gesenkt zu halten. Nachdem er sich Hände, Gesicht und Füße gewaschen hatte, verstaute er seine Schuhe unauffällig in einem Beutel unter seinem Gewand, damit sie nicht hier gefunden wurden, wenn alle nach Hause gegangen waren.
    Als Allerletzter trat er durch die großen, schweren Holztüren der Moschee. Es drang nur wenig Licht ins Innere, und die Atmosphäre war gedämpft. Wohin man den Blick auch wandte, sah man weiße Säulen, die den großen Raum ausfüllten
wie Baumstämme einen Wald. Dazwischen lagen die Gläubigen, nach Osten ausgerichtet, bäuchlings auf ihren Gebetsteppichen.
    Charlot blieb einen Augenblick am Eingang stehen, um zu überprüfen, ob die Örtlichkeiten der Zeichnung von der Moschee entsprachen, die der alte Mulai ihnen mitgegeben hatte.
    Trotz seiner warmen Kleidung und des wärmenden Lichts, das die vielen Öllampen spendeten, lief Charlot ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er zitterte, denn das, was er vorhatte, war nicht nur äußerst gefährlich, sondern obendrein verboten.
    Die Kairaouine-Moschee war eins der ältesten und heiligsten Gotteshäuser, erbaut vor fast tausend Jahren im Auftrag von Fatima, einer reichen Frau aus Kairuan in Tunesien - nach Mekka, Medina und Jerusalem die viertheiligste Stadt des Islam.
    In der Tat war die Kairaouine-Moschee so heilig, dass einem giaur , einem Ungläubigen wie ihm, die Todesstrafe drohte, wenn er sie betrat. Zwar war er von Schahin großgezogen worden und hatte von ihm viel über dessen Glauben gelernt, aber es war nicht zu übersehen, dass er nicht von diesem abstammte: Seine Mutter war eine katholische Novizin und sein Vater ein Bischof der katholischen Kirche in Frankreich gewesen.
    Die Nacht hier an diesem Ort zu verbringen, wie der Mulai es vorgeschlagen hatte, war im Grunde genommen undenkbar. Hier saßen sie wie exotische Vögel in einem Käfig, fern von ihrem natürlichen Lebensraum.
    Aber der shaikh ad-Darqawi hatte ihnen versichert - in einem überlegenen Ton, so als wäre er bereits vertraut mit der Sprache der Engel -, er wisse von allerhöchster Stelle, dass die
gesuchte Schachfigur sich in der großen Kairaouine-Moschee befinde, und er könne ihnen sogar ganz genau sagen, wo sie versteckt sei.
    »Hinter dem Schleier, in einem Baum. Folgt der Parabel ›Das Licht‹, und ihr werdet sie finden.«
     
Allah führt seinem Licht zu, wen er will.
Und er prägt den Menschen die Gleichnisse.
Allah weiß über alles Bescheid.
    KORAN, SURE 24:35, Das Licht
     
     
    »›Das Licht‹ ist Teil einer berühmten Koransure«, flüsterte Kauri Charlot zu.
    Sie hockten hinter einem schweren Wandteppich im Bestattungsanbau der Moschee, wo sie sich zusammen mit Schahin versteckten, seit das Abendgebet vor Stunden beendet und die Moschee verriegelt worden war.
    Ad-Darqawi hatte ihnen versichert, dass sich bis Tagesanbruch nur der muwaqqit , der Wächter der Zeit, in der riesigen Moschee aufhalten würde. Aber der blieb die ganze Nacht in seiner Kammer hoch oben im Minarett, wo er mithilfe von ausgeklügelten Instrumenten - eines Astrolabiums und einer Pendeluhr, die Ludwig XIV. der Moschee geschenkt hatte -, den exakten Zeitpunkt für den Beginn des nächsten der vom Propheten vorgeschriebenen fünf kanonischen Gebete berechnete, das vor dem Sonnenaufgang abgehalten wurde. Bis dahin waren sie in dieser Nische in Sicherheit. Wenn dann die Tore geöffnet wurden, konnten sie sich unauffällig unter die Menge der Gläubigen mischen und verschwinden.
    »›Die Sure des Lichts‹«, fuhr Kauri im Flüsterton fort, obwohl niemand in der Nähe war, der sie hätte hören können,
»ist eine Parabel, ein verschlüsselter Text über ›Gottes Licht‹. Es kommen fünf Hinweise darin vor: eine Nische, eine Lampe, Glas, ein Baum und Öl. Mein Lehrer, der Baba Schemimi, hat mich gelehrt, dass dies die fünf geheimen Schritte zur Erleuchtung sind, wenn man ihre Bedeutung versteht. Aber die Gelehrten debattieren schon seit Jahrhunderten darüber, was die Parabel bedeuten könnte. Ich weiß nicht, warum ad-Darqawi meinte, die Sure würde uns zur Moschee führen oder uns dabei helfen, die schwarze Dame zu finden …«
    Kauri unterbrach sich, als er sah, wie Charlot erbleichte und, als bekäme er in der Enge des Verstecks nicht mehr

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