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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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alle Augen sichtbar, aber hinter einem Schleier verborgen. Wenn er jetzt starb, bevor er dazu kam, seine Vision weiterzugeben, würde das tausend Jahre alte Geheimnis womöglich mit ihm sterben.

    Der alte Mann sammelte alle Kraft, die ihm noch geblieben war, schlug seine Decke zurück und erhob sich von seiner Steinplatte, bis er auf nackten Füßen aufrecht stand. Mit seinen schwachen, zittrigen Händen ergriff er den Trommelstock so fest, wie er konnte, und holte tief Luft. Er brauchte all seine Kraft, um das vertraute Trommelzeichen der Schadhili-Sufis zu schlagen.
    Der Mulai empfahl seine Seele in Allahs Hände.
    Und begann zu trommeln.

    Kauri hörte ein Geräusch, das er nicht mehr vernommen hatte, seit er das Weiße Land verlassen hatte: das Trommelzeichen der Sufis! Das konnte nur heißen, dass sich etwas von großer Bedeutung ereignete. Auch die vor der Klause knienden Jünger hörten es und blickten einer nach dem anderen auf.
    Kauri, der zwischen den Hunderten Fremden kniete, die sich hier versammelt hatten, um auf den Tod des shaikh ad-Darqawi zu warten, lauschte angestrengt auf die Trommelschläge und versuchte, die Botschaft zu deuten. Aber es gelang ihm nicht, denn diese Schlagabfolge hatte er noch nie zuvor gehört. Ebenso wie jede Trommel ihre eigene Stimme besaß, hatte auch jeder Rhythmus eine andere Bedeutung, die nur von Eingeweihten verstanden werden konnte.
    Aber noch mehr als der Klang der unverständlichen Trommelklänge irritierte ihn der Ort, von dem sie ausgingen: Sie kamen aus der steinernen Klause, in der der Heilige im Sterben lag. Ein verblüfftes Raunen ging durch die Menge. Es konnte nur ad-Darqawi selbst sein, der die Trommel schlug. Kauri betete, dass das ein Zeichen der Hoffnung war.
    Seit er vor zehn Monaten den Sklavenhändlern entkommen war, die ihn auf dem Schiff in Ketten gelegt hatten, versuchte
Kauri vergeblich, etwas über das Schicksal von Haidée und den Verbleib der Schachfigur, die die schwarze Dame genannt wurde, in Erfahrung zu bringen. Weder er noch die Schadhili-Sufis noch der alte Mulai hatten auch nur den Hauch einer Spur ausfindig machen können. Es war, als hätte die Erde nicht nur das Mädchen, sondern auch diesen wichtigen Schlüssel zu al-Dschabirs heiligem Erbe einfach verschluckt.
    Die Trommelschläge, die aus der Klause drangen, schienen immer bestimmter und lauter zu werden. Dann bemerkte Kauri am Rand der Menge eine Bewegung. Einer nach dem anderen standen die Männer auf, um einen Pfad frei zu machen für etwas, das sich ihnen näherte. Kauri konnte nicht erkennen, worum es sich handelte, aber er hörte die Männer um sich herum miteinander flüstern.
    »Zwei Reiter«, wisperte sein Nachbar mit vor Staunen und Angst heiserer Stimme. »Es heißt, es könnten Engel sein. Der Mulai trommelt den heiligen Rhythmus des Stifts !«
    Verblüfft schaute Kauri den Mann an, doch der blickte an ihm vorbei. Über die Schulter hinweg sah Kauri, wie die Menge sich teilte.
    Ein hochgewachsener Mann kam auf einem sandfarbenen Pferd angeritten, gefolgt von einem zweiten Reiter. Als Kauri die weißen Wüstengewänder erblickte, das rötliche Haar, das dem ersten Mann über die Schultern fiel, musste er an die verbotenen Bilder von »Jesus von Nazareth« denken, die die Priester im Festungskloster St. Pantaleon auf der Kieferninsel versteckt gehalten hatten, am selben Ort, an dem auch die schwarze Dame versteckt gewesen war.
    Aber beim Anblick des zweiten Reiters blieb ihm fast das Herz stehen - er trug den blauen litham !
    Kauri sprang auf und rannte los.
    Das war Schahin, sein Vater!

Kairaouine-Moschee Fes, Marokko
    Die Sonne war untergegangen, und die Stadt lag im Dunkeln, doch die glasierten Dachziegel der Kairaouine-Moschee schimmerten im Licht der Fackeln, die im Innenhof flackerten. Die von schmalen Bögen gesäumten Galerien lagen tief im Schatten, als Charlot den großen, schwarz-weiß gefliesten Hof durchquerte, um zur isha , dem letzten Abendgebet, zu gehen.
    Er war so spät wie möglich gekommen, gerade rechtzeitig, um noch zusammen mit den letzten Gläubigen durch die Tür zu schlüpfen. Schahin und Kauri, die sich bereits in der Moschee befanden, würden ihre Verstecke wie verabredet bereits aufgesucht haben. Schahin hatte Charlot geraten, erst nach Einbruch der Dunkelheit zu kommen. Zwar war sein rotes Haar vollständig unter einem Turban und einer dicken Dschellaba verborgen, aber bei Tageslicht würden seine kornblumenblauen Augen Argwohn erregen.
    Als

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