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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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an langen Stöcken befestigten Dochten oder Ölkännchen wieder anzünden oder auffüllen konnten: gut drei Meter über dem Boden.
    Der Morgen nahte, und die Zeit lief ihnen davon. Wie sollten sie nur in den »Baum« gelangen? Schließlich wurde ein Beschluss gefasst.
    Kauri als der Leichteste von ihnen legte bis auf einen dünnen Kaftan alle Kleider ab und stieg mit Charlots Hilfe auf die Schultern seines Vaters. Dann kletterte er in den vielarmigen Leuchter, vorsichtig darauf bedacht, keine der flackernden Öllampen anzustoßen.
    Von unten sahen Schahin und Charlot schweigend zu, wie Kauri immer höher stieg. Hin und wieder geriet der gigantische Kronleuchter leicht ins Wanken, und Öl drohte aus den Lampen zu schwappen. Charlot hielt den Atem an und hatte Mühe, seinen rasenden Puls zu beruhigen.
    Als Kauri die oberste Ebene des Kronleuchters erklommen hatte - in knapp zwanzig Metern Höhe -, schaute er nach unten und schüttelte den Kopf, um Schahin und Charlot zu bedeuten, dass sich dort oben keine schwarze Dame befand.
    Aber sie muss da sein! , dachte Charlot verzweifelt. Wie kann es sein, dass sie nicht da ist? Sie hatten so viel durchgemacht. Die Reise durch die Wüste und über das Gebirge, Kauris knappe Flucht vor den Sklavenhändlern, Haidées Notlage, wo auch immer sie stecken mochte. Und jetzt dieses Paradox.
    War die Hellsichtigkeit von Mulai ad-Darqawi ebenso gestört wie die seine? War dem shaikh ein Fehler unterlaufen, oder hatte er die Botschaft falsch gedeutet?
    Und dann sah er es.
    Als er den riesigen Kronleuchter von unten betrachtete, erregte
eine bestimmte Stelle plötzlich seine Aufmerksamkeit. Er trat genau in die Mitte unterhalb des Leuchters und schaute noch einmal nach oben. Im Zentrum der Konstruktion entdeckte er einen dunklen Schatten.
    Er machte Kauri mit der Hand ein Zeichen. Vorsichtig begann der Junge seinen gefährlichen Abstieg, der noch schwieriger war als der Aufstieg. Schritt für Schritt bewegte er sich nach unten, achtsam den unzähligen mit brennendem Öl gefüllten Lampen ausweichend.
    Schahin trat neben Charlot, und als Kauri sich von einem der unteren Arme des Kronleuchters schwang, fing er ihn auf. Bis auf Schahins erleichtertes Aufatmen war alles völlig lautlos abgelaufen.
    Alle drei setzten sich auf den Boden und schauten in den hohlen Mittelteil des Kronleuchters, in den der Holzkohlebrocken hineingeschoben worden war. Sie mussten ihn da rausholen - und zwar so schnell wie möglich, damit sie den Kronleuchter wieder an seinen Platz hieven konnten, ehe der Muezzin die Gläubigen zum Morgengebet rief.
    Auf ein Zeichen stellte Schahin sich breitbeinig hin und hielt die verschränkten Hände wie einen Steigbügel, sodass Charlot erst seinen Fuß daraufstellen und ihm dann auf die Schultern steigen konnte. Wankend streckte Charlot einen Arm aus und langte in den Hohlraum. Seine Finger berührten den Holzkohlebrocken, doch er bekam ihn nicht zu fassen. Er winkte Kauri zu sich, reichte ihm eine Hand und zog ihn vorsichtig hoch. Erneut kletterte Kauri in den Kronleuchter, bis er sich direkt oberhalb der Schachfigur befand. Dann langte er von oben in den Hohlraum und drückte auf den Holzkohlebrocken, der sich ganz langsam löste und Stück für Stück nach unten in Richtung von Charlots Hand rutschte.

    Im selben Augenblick zerriss ein lautes Geräusch wie von einem riesigen Gong die Stille in dem gewaltigen Raum. Es schien von irgendwo hoch oben zu kommen und sich in Richtung Eingang fortzusetzen. Charlot war vor Schreck zusammengezuckt und ließ seinen Arm sinken, um seine Balance wiederzuerlangen - und dann ging plötzlich alles schief. Kauri hatte vergeblich versucht, den abrutschenden Brocken festzuhalten, Schahin geriet aus dem Gleichgewicht, Charlot stürzte zu Boden und rollte sich zur Seite, als der schwere Brocken wie ein Meteorit aus drei Metern Höhe auf den mit Teppichen ausgelegten Marmorboden krachte.
    Charlot sprang auf und schnappte sich die Schachfigur, während die glockenartigen Klänge von den Marmorsäulen widerhallten und von den hohen Kuppeln noch verstärkt wurden. Kauri schwang sich von dem schwankenden Kronleuchter und landete in einem heißen Ölschauer auf dem Boden. Die drei fassten sich an den Händen und wollten gerade die Flucht ergreifen …
    In diesem Moment verstummte das Geräusch.
    Wieder herrschte vollkommene Stille in der Moschee.
    Charlot schaute seine beiden verblüfften Gefährten an. Dann begriff er und grinste trotz der immer noch

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