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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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einfaches Schachspiel gekauft und es mir beigebracht - da war ich noch sehr klein«, antwortete er, während er mir das restliche Besteck durch die Tür reichte. »Das war kurz nach dem Tod meines Vaters.«
    Als er mein entsetztes Gesicht sah, legte er eine Hand auf meine Hände, die immer noch das in ein Geschirrtuch gewickelte Besteck hielten.
    »Tut mir leid - ich dachte, das wäre allgemein bekannt«, erklärte er hastig, nahm mir das Besteck ab und legte es weg. »Als ich Großmeister wurde, hat man in allen Schachkolumnen darüber berichtet. Aber mein Vater ist nicht so gestorben wie Ihrer.«
    »Wie ist er denn gestorben?«, fragte ich. Ich war den Tränen nahe. Ich war zum Umfallen müde. Ich konnte keinen klaren
Gedanken mehr fassen. Mein Vater war tot, meine Mutter war verschwunden, und jetzt das.
    »Mein Vater ist in Afghanistan gefallen, als ich drei Jahre alt war«, sagte Wartan. »Er wurde auf dem Höhepunkt des Kriegs einberufen. Aber da er nur kurz gedient hatte, bekam meine Mutter keine Kriegerwitwenrente. Wir waren sehr arm. Deswegen hat sie es schließlich getan.«
    Wartan schaute mich eindringlich an. Er drückte meine Hände, die er immer noch hielt. »Xie, hören Sie mir zu?«, fragte er in einem Ton, den ich bei ihm noch nicht gehört hatte - so eindringlich, dass es beinahe wie ein Befehl klang.
    »Mal sehen«, sagte ich. »Sie waren arm, Ihr Vater ist für sein Vaterland gefallen. Richtig?« Dann fiel der Groschen. »Deswegen hat wer was getan?«
    »Meine Mutter«, sagte Wartan. »Das war mehrere Jahre, bevor ihr klar wurde, wie gut ich Schach spielen konnte - wie gut ich noch werden könnte. Sie wollte mich auf jede nur mögliche Weise unterstützen. Es ist mir schwergefallen, ihr zu verzeihen, aber ich wusste, dass sie glaubte, das Richtige zu tun, als sie ihn geheiratet hat.«
    »Als sie wen geheiratet hat?«, fragte ich, doch ich wusste es schon, bevor er es aussprach.
    Aber natürlich. Den Mann, der das Schachturnier organisiert hatte, bei dem mein Vater ermordet wurde, den Mann, der Basil Livingstons Partner bei dessen verbrecherischen Machenschaften wurde, den Mann, der vor zwei Wochen in London ermordet worden war. Dieser Mann konnte niemand anders sein als Wartans Stiefvater …
    »Taras Petrossian.«

    Es erübrigt sich zu erwähnen, dass Wartan und ich bis zum Morgengrauen nicht viel Schlaf bekamen. Seine wechselvolle Kindheit in der Sowjetunion ließ die meines Vaters - zumindest soweit ich sie kannte - vergleichsweise heiter erscheinen.
    Der springende Punkt war, dass Wartan seinen Stiefvater, der in sein Leben getreten war, als er neun Jahre alt war, einerseits nicht ausstehen konnte, andererseits aber irgendwie mit ihm auskommen musste, damit seine Mutter ihren Frieden hatte und natürlich, weil Petrossian zugleich sein Schachlehrer und -trainer war. Petrossian hatte nach dem Tod von Wartans Mutter Russland verlassen, und seitdem gab es kaum noch Kontakt zwischen den beiden Männern. Bis zu dem Schachturnier vor zwei Wochen in London.
    Dennoch - warum hatte er nichts von alldem erwähnt, als wir lang und breit überlegt hatten, welche Strategie wir verfolgen wollten? Und wenn es »in allen Schachkolumnen« stand, wusste Lily dann darüber Bescheid?
    Als wir jetzt in einem Kissenberg neben dem fast heruntergebrannten Feuer saßen, war ich viel zu erschöpft, um noch darüber zu diskutieren, aber zugleich war ich auch zu überdreht, um nach oben zu gehen und zu schlafen. Wartan hatte eine Flasche Brandy aus der Anrichte genommen und uns zwei Gläser gefüllt. Während wir tranken, massierte er mir mit einer Hand den Nacken.
    »Tut mir leid. Ich war davon ausgegangen, dass Sie all das wussten«, sagte er sanft, während er meine verspannten Muskeln knetete. »Aber wenn wir tatsächlich in dieses große Spiel verwickelt sind, wie Lily Rad meinte, dann gibt es in Ihrem und meinem Leben zu viele ähnliche Zufälle, als dass wir eine andere Wahl hätten, als zusammenzuarbeiten.«
    Wirklich merkwürdige Zufälle , dachte ich, angefangen mit ein
paar verdächtigen Mordfällen in der Familie . Doch ich sagte nichts.
    »Ich würde die Zusammenarbeit gern damit beginnen«, sagte Wartan lächelnd, »dass ich dir meine Dienste in einer Disziplin anbiete, die ich noch besser beherrsche als das Schachspielen.«
    Er fasste mich zärtlich am Kinn und hob mein Gesicht an. Als ich gerade protestieren wollte, fügte er hinzu: »Es handelt sich um eine Fertigkeit, die ich ebenfalls als kleiner Junge

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