Die Bourne-Identität
haben wir sie gefunden; vielleicht hat das Fragespiel sie aufgedeckt.«
»Das ist kein richtiger Test! Das ist eine schmerzhafte Übung, die zufällige Erinnerungen wachruft. Wenn eine Zeitschrift wie der Potomac Quarterly den Bericht veröffentlicht hat, ist es durchaus möglich, daß ein Dutzend Zeitungen in der ganzen Welt den Artikel nachgedruckt haben. Du kannst ihn irgendwo gelesen haben.«
»Entscheidend ist, daß ich die Fakten behalten habe.«
»Nicht ganz. Du wußtest nicht, wo das Iljitsch herkommt, daß Carlos' Vater ein kommunistischer Rechtsanwalt in Venezuela war. Das ist wichtig, denke ich. Du hast nichts von den Kubanern erwähnt. Wenn du das getan hättest, hätte das zu der Spekulation geführt, die mich am meisten schockiert hat. Davon hast du kein Wort gesagt.«
»Wovon redest du?«
»Dallas«, sagte sie. »November 1963.«
»Kennedy«, erwiderte Bourne.
»Fällt dir nur Kennedy ein?«
»Seine Ermordung ist damals passiert.« Jason stand reglos da.
»Ja, aber das ist es nicht, wonach ich suche.«
»Ich weiß«, entgegnete Bourne, und seine Stimme war wieder ausdruckslos. »Ein grasbedeckter Hügel ... LumpenBilly.«
»Das hast du gelesen!«
»Nein.«
»Dann hast du es einmal gehört, es früher gelesen.«
»Das ist möglich, aber nicht von Bedeutung, oder?«
»Hör auf, Jason!«
»Wieder diese Worte. Ich wünschte, ich könnte das.«
»Was versuchst du, mir klarzumachen? Daß du Carlos bist?«
»Herrgott, nein! Carlos will mich töten, und ich spreche nicht russisch, das weiß ich.«
»Was dann?«
»Was ich am Anfang sagte. Das Spiel. Das Spiel heißt >Dem-Soldaten-eine-Falle-stellen<.«
»Ein Soldat?«
»Ja. Einer, der Carlos abtrünnig geworden ist. Das ist die einzige Erklärung dafür, warum ich all diese Details kenne.«
»Warum sagst du: >abtrünnig geworden«
»Weil er mich töten will. Das muß er; er glaubt, daß ich mehr als jeder andere Mensch über ihn weiß.«
Marie, die bis jetzt auf dem Bett gekauert hatte, schwang ihre Beine über den Bettrand. »Wenn das, was du sagst, stimmt, dann hast du es getan, dann bist ... bist ...« Sie hielt inne.
»Wenn man alles betrachtet, ist es ein wenig spät, um einen moralischen Standpunkt einzunehmen«, sagte Bourne und sah den Schmerz im Gesicht der Frau, die er liebte. »Ich könnte mir einige Gründe vorstellen, warum es zum Krach mit Carlos gekommen sein mag: Zum Beispiel wegen irgendwelcher Meinungsverschiedenheiten.«
»Sinnlos!« rief Marie. »Es gibt keinen einzigen Beweis dafür.«
»Massenhaft gibt es die, und das weißt du auch. Vielleicht habe ich von jemand anderem mehr bekommen können oder Honorare unterschlagen. Beides würde das Konto in Zürich erklären.« Er hielt kurz inne und starrte die Wand über dem Bett an. »Beides würde Howard Leland erklären und Marseille, Stuttgart ... München. Die Fakten, an die ich mich nicht erinnere, und die nach und nach an die Oberfläche drängen; und besonders eine Tatsache: Warum ich bisher vermieden habe, seinen Namen auszusprechen. Ich habe Angst.«
Sie nickte. »Ich bin sicher, daß du an deine Erklärungen glaubst«, sagte sie, »und in gewisser Weise wünsche ich mir, daß sie wahr wären. Aber ich zweifle an ihnen. Du willst daran festhalten, weil es dir eine Antwort ... eine Identität gibt. Vielleicht nicht die Identität, die du dir wünschst, aber immerhin eine, die besser ist, als blind durch das schreckliche Labyrinth zu gehen, das du jeden Tag erlebst. Alles wäre besser als das, denke ich. Doch du kannst nicht recht haben. Wenn du der Mann wärst, wie du ihn schilderst, und vor Carlos Angst hättest - und die solltest du weiß Gott haben -, wäre Paris der letzte Ort auf der Welt, zu dem du dich hingezogen fühlen würdest. Wir würden irgendwo anders sein; das hast du selbst gesagt. Du würdest weglaufen, würdest das Geld auf der Bank in Zürich nehmen und untertauchen. Statt dessen aber strebst du auf geradem Wege auf Carlos zu. Ein Mann, der sich vor ihm fürchtet oder sich schuldig fühlt, würde das niemals tun.«
»Es gibt keine andere Erklärung: Ich bin nach Paris gekommen, um mich selbst zu finden; so einfach ist das.«
»Dann verschwinde jetzt. Morgen haben wir das Geld; es gibt nichts, was dich - was uns - noch aufhält. Auch das ist einfach.«
Marie beobachtete ihn scharf.
Jason sah sie an und wandte sich dann ab. Er ging an die Kommode und füllte sein Glas. »Da wäre noch Treadstone zu bedenken«, sagte er, wie um sich zu
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