Die Bourne Intrige
diesem Zeitpunkt stieg er in das Risikokapitalgeschäft ein. Er nahm seine großen Gewinne und investierte sie in den stabileren Bankensektor. Zuerst kaufte er eine kleine Regionalbank in Bogotá, die am Rande des Ruins stand, änderte ihren Namen und machte sie im Laufe der Neunzigerjahre zu einer der führenden Banken des Landes. Er expandierte nach Brasilien, Argentinien und zuletzt auch nach Spanien. Vor zwei Jahren schlug er eine mögliche Übernahme durch die Banco Santander aus, weil er lieber sein eigener Herr blieb. Heute verfügte seine Aguardiente Bancorp, die nach dem Zuckerrohrschnaps seines Heimatlandes benannt war, über mehr als zwanzig Filialen; die letzte war erst vor fünf Monaten in London eröffnet worden, wodurch er noch mehr im Zentrum des internationalen Geschehens stand.
Er war zweimal verheiratet gewesen, hatte zwei Töchter, die beide in Kolumbien lebten, und einen Sohn namens Diego, den Don Fernando als Direktor seiner Londoner Filiale eingesetzt hatte. Er schien clever, sachlich und seriös zu sein; Bourne konnte nicht den kleinsten Hinweis auf irgendetwas Zwielichtiges an ihm oder seiner AB finden, wie sie in Bankkreisen genannt wurde.
Er spürte Tracys Rückkehr, bevor er ihren Duft nach Farn und Zitrusfrüchten wahrnahm. Mit leisem Seidenrascheln setzte sie sich auf ihren Platz neben ihm.
»Geht’s Ihnen wieder besser?«
Sie nickte.
»Wie lange arbeiten Sie schon im Prado?«, fragte er.
»Ungefähr sieben Monate.«
Doch sie hatte einen Moment zu lang gezögert, und er wusste, dass sie log. Die Frage war, warum. Was hatte sie zu verbergen?
»Wenn ich mich richtig erinnere«, sagte Bourne, »sind doch einige von Goyas späteren Sachen in den Verdacht geraten, nicht echt zu sein, oder?«
»Ja, 2003«, antwortete Tracy und nickte. »Aber die Echtheit der vierzehn schwarzen Bilder ist inzwischen bestätigt.«
»Aber das gilt nicht für das Bild, das Sie sich ansehen werden?«
Sie schürzte die Lippen. »Bis jetzt hat es niemand gesehen, außer dem Sammler.«
»Und wer ist er?«
Sie blickte zur Seite – es war ihr sichtlich unangenehm, über das Thema zu sprechen. »Darüber darf ich nicht sprechen.«
»Sicher …«
»Warum tun Sie das?« Sie wandte sich ihm wieder zu, nun mit einem zornigen Ausdruck im Gesicht. »Halten Sie mich für dumm?« Ihre Wangen röteten sich. »Ich weiß, warum Sie in diesem Flugzeug sitzen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Bitte! Sie wollen zu Don Fernando Herrera, genau wie ich.«
»Don Herrera ist Ihr Sammler?«
»Sehen Sie?«, sagte sie triumphierend. »Ich hab’s gewusst!« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich sag Ihnen eines: Sie werden den Goya nicht bekommen. Er gehört mir; es ist mir egal, wie viel ich dafür zahlen muss.«
»Das klingt aber nicht so, als würden Sie für den Prado arbeiten«, erwiderte Bourne, »oder für irgendein anderes Museum. Und warum haben Sie ein unbegrenztes Budget für eine Fälschung?«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und biss sich auf die Lippe, fest entschlossen, ihm nicht noch mehr zu verraten.
»Der Goya ist gar keine Fälschung, stimmt’s?«
Sie sagte immer noch nichts.
Bourne lachte. »Tracy, ich schwöre Ihnen, dass ich nicht hinter dem Goya her bin. Ja, ich hatte überhaupt keine Ahnung, dass es ihn gibt, bevor Sie’s mir gesagt haben.«
Sie sah ihn beunruhigt an. »Das glaube ich Ihnen nicht.«
Er nahm ein Päckchen aus seiner Brusttasche und reichte es ihr. »Los, lesen Sie das«, forderte er sie auf. »Sie können es ruhig wissen.« Willard hatte wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet, dachte er, als sich Tracy die Unterlagen ansah.
»Da geht es um eine Firmengründung, eine E-Commerce-Firma«, sagte sie schließlich.
»Ja, und ich brauche das nötige Startkapital, bevor unsere Konkurrenten sich auf dem Markt etablieren können«, log Bourne. »Ich habe gehört, dass mir Don Fernando Herrera helfen könnte, das Problem mit einem Schlag zu lösen. Aber ich kenne ihn überhaupt nicht. Wenn Sie mir helfen könnten, zu ihm zu kommen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
Sie gab ihm die Unterlagen zurück, und er steckte sie wieder ein, doch ihr Gesichtsausdruck blieb misstrauisch.
»Wie soll ich wissen, dass ich Ihnen trauen kann?«
Er zuckte die Achseln. »Kann man überhaupt irgendwas sicher wissen?«
Sie überlegte einen Moment, dann nickte sie. »Sie haben Recht. Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Aber ich kann Ihnen helfen.«
Sie hob skeptisch eine Augenbraue.
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