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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Abdruck des Sockels. Raphaëls Pullover.

U nverhofft stand Max im Atelier.
    »Hast du vielleicht Raphaël in der Umkreisung gesehen?«
    »In der was?«
    »In der Umkreisung.«
    »In der Umgebung, Max! In der Umgebung. Er ist beim Gießer, er hat die Näherin mitgenommen. Er hatte es dir gesagt. Er hat auf dich gewartet. Du hattest ihm versprochen mitzufahren.«
    Max sah sich um.
    Er rieb sich mit der Hand die Stirn.
    »Hast du ein Problem?«, fragte ich.
    Er wusste es nicht. Raphaël wusste immer, wann es Probleme gab und wann nicht.
    »Es ist wegen dem Benzin, ich habe nicht genug für das Boot!«, erklärte er schließlich.
    Er machte drei Schritte zur Tür.
    »Der Kapitän sagt, ich habe genug, um aufs Meer zu fahren, aber nicht zum Zurückkommen, er lässt mich nicht losfahren, wenn ich nicht das Benzin für die Rückfahrt habe.«
    »Er hat Recht.«
    »Er hat den Schlüssel für das Boot genommen!«
    Er nickte mehrmals.

    »Das hat er gemacht, damit ich den Anlass für den Motor nicht betätige.«
    »Und was soll Raphaël da machen?«
    »Raphaël ist der gut Begründete auf der Welt.«
    »Der gut Begründete auf der Welt?«
    Darüber musste ich lachen.
    »Wie viel Liter brauchst du?«
    Auch das wusste er nicht. Der Kapitän hatte ein Zeichen auf die Benzinuhr gemalt, und bis dahin musste Max den Tank füllen.
    »Das ist eine Schaumnacht!«, sagte er und zeigte aufs Meer. »In Schaumnächten gibt es Heringshaie!«
    Ich holte einen Geldschein aus der Tasche, aber Geld war nicht das, was er wollte.
    Schließlich ging er. Er lief ins Dorf. Mit einem Eimer und Flaschen wanderte er von Haus zu Haus und bat um Benzin für sein Boot. Er versprach Fisch als Bezahlung und die Zähne des Hais. Er versprach alles. Einige gossen ein paar Liter direkt in seinen Eimer. Andere gaben ihm nichts.
    Max stank.
    Lili wollte nicht, dass er das Bistro betrat. Sie wollte auch nicht, dass er aufs Meer fuhr.
    Sie gab ihm draußen zu essen.
    Max rannte durch die Gassen und klopfte an alle Türen. Abends hatte die Benzinuhr endlich den nötigen Stand erreicht.
     
    Der Gießer brachte die Näherin am nächsten Vormittag zurück. Sie war in ein Laken gehüllt. Sie brauchten lange, um sie vom Wagen zu heben und ins Atelier zu tragen.
    Sie stellten sie auf ihren Sockel. Ich war da, als sie das Laken abnahmen. Die dunkle Patina vibrierte im Licht. Sobald sich das Licht änderte, wechselte die Patina zu graubraun, fast
rot. Es genügte eine Wolke hinter dem großen Fenster zum Meer.
    Jetzt, wo sie da war, schien es auf einmal unmöglich, sich von ihr zu trennen.
    Als Hermann kam, verschärfte sich die Situation, Raphaël wollte seine Skulptur nicht mehr verkaufen. Hermann brauchte sie aber für die Ausstellungsplakate.
    »Deine Näherin wird das Prunkstück der Ausstellung!«
    Alles hatte er bereits geplant.
    Nur das nicht.
    »Ohne die Näherin wird es keine Ausstellung geben!«, sagte er und ging türenknallend davon.
    Am Abend rief Hermann im Gasthof an und verlangte Raphaël. Es dauerte eine Weile, bis der Gastwirt ihn geholt hatte. Später mussten sie von der Telefonzelle aus weitertelefonieren, weil der Gastwirt vom endlosen Gespräch die Nase voll hatte. Sie redeten, bis Raphaël nachgab. Die Totennäherin sollte in Paris ausgestellt und verkauft werden, falls sie jemand wollte.
     
    »Das ist meine erste Ausstellung, ich muss das Beste zeigen, was ich habe. Wenn ich sie verkaufe, kann ich andere davon gießen lassen.«
    Morgane explodierte.
    »Du bist kein Anfänger! Er hat dich nicht so zu behandeln!«
    Sie schleuderte eine Zeitschrift durchs Zimmer.
    »Ich begreif nicht, wieso du so einfach nachgibst!«
    Raphaël hob die Zeitschrift auf. Seit seine Entscheidung getroffen war, wirkte er sehr ruhig, fast gleichgültig.
    »Das Entscheidende ist doch, dass es Die Totennäherin gibt.«
    Er lächelte.
    »Ich trage andere in mir.«

    »Es wird niemals eine andere Näherin geben!«
    Sie stritten eine Weile so weiter, Morgane beruhigte sich nicht.
    Feuchte Luft stieg vom Boden auf. Von einigen Skulpturen, die schon lange im Atelier standen, löste sich der Gips, man musste nur mit dem Finger darüberstreichen. Die Skulpturen waren bedroht. Raphaël wusste es. Sie würden alle Schaden nehmen, wenn er sie nicht bald gießen ließ.
    Er streichelte mit der Hand das Gesicht seiner Schwester, streichelte diese unmöglich zu besänftigende Wut.
    »So schlimm ist das alles nicht.«
    Morgane wich zurück, wie von der Hand verbrannt.
    »Komm

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