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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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ihrem Hals. Sie suchte einen Ort, um sich zu verstecken, schließlich schlüpfte sie in den Ausschnitt ihrer Bluse, die kleinen rosa Pfoten an den dünnen Stoff geklammert.
    »Wann fährst du?«, fragte ich.
    »In drei Tagen.«
    »Montag!«
    »Ja, Montag. Ganz früh. Kannst du mit uns zum Bahnhof fahren? Ich habe Raphaël gesagt, dass du bestimmt mitkommst.«
    Sie zog mich an sich, drückte mich.
    »Du kommst mich in Paris besuchen, versprichst du mir das?«
    Dann nahm sie meine Hand, trat etwas zurück und betrachtete mich von Kopf bis Fuß.
    »Ich geb dir Klamotten.«
    »Ich brauche keine Klamotten!«
    Sie zog mich in ihr Schlafzimmer.
    Bevor wir es betraten, fragte sie wieder:
    »Und wegen der Ratte überlegst du nochmal, okay?«

    »Ich habe mich entschieden.«
    Sie öffnete die Tür. In ihrer Hektik machte sie eine falsche Bewegung. Ihre Kette zerriss. Die Perlen rollten in alle Richtungen auf dem Fußboden weg. Wir sammelten sie auf und legten sie in eine Schachtel. Dann zog sie die Schubladen auf, wühlte in ihren Sachen und holte für mich alles heraus, was sie nicht mehr wollte.
    »Die hier schenke ich dir, sie wird dir stehen!«
    Es war eine Bluse, durch deren durchsichtige Ärmel man die Haut schimmern sah. Sie drückte sie mir in die Hand.
    »Diese Knöpfe braucht man nicht zuzumachen«, sagte sie und zeigte mir die oberen beiden Druckknöpfe.
    Sie warf auch T-Shirts aufs Bett.
    »Aus der Zeit, als ich noch schlank war …«
    Ein Pullover, ein paar Tücher.
    Sie schenkte mir ihren dicken gestreiften Pullover. So ein Pullover in Paris, sagte sie, das geht nicht!
    Sie gab mir Wollstrumpfhosen, ein paar T-Shirts. Sie ließ mich versprechen, sie zu tragen.
    Ich versprach es. Ich musste es schwören. Alles, was sie mir geben wollte, legte sie mir in die Arme.
    »Du bist schön«, sagte ich.
    »Stehst du auf Frauen?«
    Ich lachte.
    »Nein, nur auf Männer.«
    Sie lachte auch.
    Ich hatte ihre Haare im Mund.
    »Worauf wartest du dann noch?«
    »Ich warte auf gar nichts.«
    »Wir warten alle!«
    »Ich nicht.«
    Sie sah mir tief in die Augen.

    »Wenn man nicht mehr wartet, stirbt man!«
    Das sagte sie.
    Sie ging zu einem anderen Schrank, riss die Tür auf.
    »Und was frisst deine Ratte?«, fragte ich schließlich.

M organe packte zwei Koffer. Was sie nicht wollte, ließ sie in den Schubladen.
    Als Max erfuhr, dass Morgane wegfahren würde, lief er ans Ende der Mole und weinte.
    Sie gab ihm die Perlen, alle Perlen der zerrissenen Kette. Er würde sie reparieren und sie ihr in einem Umschlag nach Paris schicken können, Raphaël hatte die Adresse darauf geschrieben.
    Sie schenkte ihm ihren großen Schal.
    Er wollte auch die Ratte übernehmen.
    »Ich kümmere mich drum«, sagte er. Morgane sah zögernd auf seine Hand.
    Schließlich fand er eine Holzkiste und legte einen alten Wollpullover hinein. Er kam damit wieder und erklärte, dass Ratten gerne auf Booten wohnten.
    Morgane sah die Kiste an, dann sagte sie: »Warum eigentlich nicht …« Sie war noch nicht ganz überzeugt.
    Er ließ sich alles erklären mit dem Futter. Dann ging er auf die Mole zurück, aber weniger weit als beim ersten Mal, und weinte wieder.
    Morgane gab ihm ihre Pyjamajacke, mit ihrem Geruch, der noch darin war, ihre Träume, ihr Schweiß.

    Max drückte die Jacke an sich. Er sah sie an, seine Schläfen waren rot.
    Das Pferd stand auf der Weide. Morgane brachte ihm zu trinken. Die Hände ausgestreckt, zur Schale geformt.
    Sie lächelte gequält, die Finger in der Mähne.
    Ihre Hände in seinem Mund.
    »Ich habe noch nie so eine weiche Zunge gespürt …«
    Tief in ihr diese Mischung aus Lachen und Weinen.
    »Geht sie wirklich weg?«, fragte Max.
    »Sie geht, ja.«
    »Wann kommt sie wieder?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Wann kommst du wieder?«, fragte er und klammerte sich an ihren Arm.
    »Ich weiß nicht, Max.«
    Sie antwortete ihm mit heiserer Stimme. Sie hatte noch nie so mit Max gesprochen, er wich zurück.
    Er schaute zur Mole, aber er ging nicht mehr hin.
    Sie sah sich um, sie wollte ihm noch etwas geben, außer der Ratte und der Pyjamajacke.
    Schließlich ging sie ins Haus und kam mit dem Wörterbuch wieder.
    »Hier, für dich.«
    Sie zwang ihn, es zu nehmen, denn er wollte nicht. Er traute sich nicht.
    »Hier, ich schenk’s dir. Für Regentage auf deinem Boot.«
    Er fasste das Wörterbuch an, dann nahm er es und drückte es an sich.
    »Alle Wörter der uferlosen Sprache?«, stammelte er.
    Morgane lächelte.
    »Wenn ich

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