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Die Brandungswelle

Die Brandungswelle

Titel: Die Brandungswelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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geschlossen.
    War er bei Théo gewesen?
    Das Schild Zu verkaufen hing immer noch am Zaun.
    Der Himmel war weiß, mit dunkleren Schlieren über dem Meer. Schlieren, die immer schwärzer wurden. Das würde ein Regenwetter geben.
     
    Am nächsten Tag ließ Max die Schmetterlinge frei. Alle Schmetterlinge, die er für Morgane gesammelt hatte.
    Hoch oben über dem Meer auf einer Wiese öffnete er den Käfig und ließ sie fliegen.

    Später sollte ich die Leute aus dem Zentrum an der Steilküste treffen. Als ich dort ankam, hatten sie schon angefangen, Eier aus den Nestern zu nehmen. Sie hatten mehrere gesammelt, aus verschiedenen Nestern, und sie durch Attrappen ersetzt. Ich beobachtete das Verhalten der Vögel. Ich nahm mir Zeit dafür. Die Vögel schrien, die, denen man die Eier wegnahm, aber auch die anderen. Am Strand stieg das Meer, große Wellen mit weißen Schaumkronen. Die Möwen flogen haarscharf an der Steilküste vorbei. Die Hände der Männer in Reichweite ihrer Nester machten sie wütend. Zwei Kormorane, denen man ein Ei weggenommen hatte, waren davongeflogen. Ich stoppte sechzehn Minuten, bis der erste zurückkam. Er nahm seinen Platz ein. Das Ei war durch eine Attrappe ersetzt worden. Er hatte nichts bemerkt. Ich zählte weitere neun Minuten, ehe er weiterbrütete.
    Der zweite kam drei Minuten nach dem ersten.
    Ich füllte meine Tabellen aus. Der Wind blies. Ich hatte spezielle Klammern, um die Blätter festzuhalten.
    Nach weiteren fünfundzwanzig Minuten kam wieder ein Vogel, mit irrem Blick und offenem Schnabel. Er fing an, erst auf dem Rand und dann im Inneren seines Nestes herumzulaufen. Er verwüstete alles. Die Eier, die noch im Nest gelegen hatten, fielen auf den Strand.
    Erst danach beruhigte er sich wieder, stellte sich auf einen Felsvorsprung in der Nähe und fing an, sein Gefieder zu putzen.
    Die Leute vom Zentrum hatten ihre Arbeit beendet und fuhren weg. Ich blieb noch ein bisschen, wartete, dass auf dem Felsen wieder Ruhe einkehrte.
    Ein Albinospatz setzte sich dicht neben mich. Ich gab ihm ein paar Kekskrümel. Es war der erste Albino, den ich sah. Ich hätte ihn zeichnen müssen, aber ich hatte keine Lust.

L ambert war immer noch nicht zurück. Das Haus war nun schon seit Tagen verschlossen. Ich war morgens daran vorbeigegangen und auch auf dem Rückweg von der Steilküste.
    Morgane wusste nicht, wo er war. Monsieur Anselme auch nicht. Nicht mal Lili wusste irgendwas. Als ich sie fragte, zuckte sie bloß die Schultern.
    Ich beschloss, Théo zu besuchen.
    Er las gerade Zeitung. Als ich hereinkam, stand er nicht auf, sondern zeigte mit dem Finger auf einen Artikel.
    In der Nacht hatte ein wilder Hund eine Ziege angegriffen. Er hatte sie in ein Zollhäuschen gezerrt. Die Küstenwache fand das Tier später am Wegesrand, nur noch der Kopf war übrig geblieben.
    Er schlug mit der Hand auf die Zeitung.
    »Verdammte Töle!«
    Ich zog die Jacke aus.
    Das Zimmer war klein, der Ofen bullerte, es war immer zu warm hier.
    Théo sprach weiter von der Ziege, von allen Ziegen, die auf der Heide gefressen wurden. Er sprach davon, um nicht von Lambert reden zu müssen. Von dem Besuch, den Lambert ihm
sicher abgestattet hatte. Ich sah mich um, als könnte ich noch eine Spur von ihm entdecken. Théo sprach immer weiter. Ich war sicher, dass er auch an Lambert dachte.
    Irgendwann schlug er die Zeitung zu, kreuzte die Hände darüber und senkte den Kopf.
    »Lambert war neulich abends bei Ihnen, oder?«
    Er nickte.
    »Was ist passiert?«
    »Was soll schon passiert sein? Er wollte, dass ich ihm von der Nacht erzähle, ich habe ihm gesagt, was ich Ihnen gesagt habe, mehr nicht.«
    Théo brummte noch ein paar Worte, dann faltete er die Zeitung zusammen und strich die Falten glatt.
    »Er ist gekommen, wir haben geredet, er ist gegangen.«
    »Wo ist er hingegangen?«
    »Woher soll ich das wissen! Ich hatte Sie gebeten, bei Florelle vorbeizugehen, waren Sie bei ihr?«
    Ich zögerte, ehe ich ihm antwortete.
    »Ich habe ihr gesagt, dass Sie sie sehen wollen, aber ich weiß nicht, ob sie kommen wird.«
    »Wie ging es ihr?«
    »Als ich zu ihr kam, war sie gerade dabei zu nähen.«
    »Und als Sie gegangen sind?«
    Ich sah Théo an.
    »Da hatte sie ein Foto an sich gepresst und wiegte es. Es war das Foto von Michel.«
    Er zuckte nicht mit der Wimper. Er schwieg einfach nur einen Moment, dann nickte er.
    »Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist, dass diese Menschen wegen ein paar Vögeln sterben mussten. Ich hätte mir

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