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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Du hast deine Mutter gesucht, Rose.«
    »Bitte, nicht –«, stammelte Marianne.
    »Nun, da ist sie.«
    Die Augen Roses weiteten sich. Sie stieß den Kopf vor und starrte Marianne an. Dann schoß ihr rechter Arm vor, wie ein Pfahl, der sich in Mariannes Brust bohren wollte.
    »Du bist meine Mutter?«
    »Ja.«
    Harriet-Rose starrte sie stumm an. Ihr Arm blieb ausgestreckt, wie ein Rammbaum, der alle Annäherung verhindert.
    »So also siehst du aus?« sagte sie nach einer Weile Schweigen. Ihre Stimme war wieder sanft und voll Melodie. »Nun bin ich zufrieden. Mutter Erna, bringen Sie mich bitte ins Heim zurück.«
    Ohnmächtig fiel Marianne dem Hauptwachtmeister Schmitz vor die Füße.
    *
    Zwei Tage später kamen sie in Heidelberg an. Mit dem Nachtzug aus Konstanz. Nur wenige stiegen aus und hasteten zu den Ausgängen. Niemand beachtete sie. Auch sie gingen schnell zu den Ausgangsschaltern, gaben ihre Fahrkarten ab und standen auf dem fast menschenleeren Bahnhofsplatz. Jenseits des Neckars war die zerstörte Burg von Scheinwerfern angestrahlt. Harriet-Rose sah zu ihr hinüber. Sie hatte das Kopftuch tief in die Stirn gezogen. Marianne stand neben ihr. Sie trug die beiden schweren Koffer, in denen das bisherige Leben Roses verpackt war. Ein paar Kleider, zwei Mäntel, Unterwäsche, einige Bücher, zwei Paar Schuhe, und viele, viele Andenken aus dem Waisenhaus. Fast jedes Mädchen hatte ihr etwas mitgegeben. Es kam selten vor, daß eine Mutter sich nach sechzehn Jahren wieder meldete.
    Es war ein schwerer Abschied gewesen. Solange sie Konstanz sehen konnte, hatte sie laut geweint, dann hatte sie still in der Ecke gesessen, in das Polster gedrückt, und ihre Mutter angesehen.
    Eine fremde Frau saß ihr gegenüber. Eine noch junge, blonde, schöne Frau. Ganz anders, als sie sich ihre Mutter vorgestellt hatte. Sie muß sein wie Mutter Erna, hatte sie immer gedacht. Alt, gütig, beruhigend. Nun war sie jung, aufregend und zum Widerstand herausfordernd.
    »Willst du etwas schlafen?« fragte Marianne.
    »Nein.«
    »Magst du Schokolade?«
    »Nein, danke.«
    »Hast du Durst?«
    »Nein.«
    »Willst du was lesen?«
    »Nein.«
    »Du bist nicht müde?«
    »Nein.«
    Sie sagt immer nur nein, dachte Marianne bitter. Immer nein. Sie sperrt sich gegen mich. Sie haßt mich. Aber ich bin doch ihre Mutter.
    Sie soll mich in Ruhe lassen, dachte Rose. Immer fragt sie. Wie eine Mutter ein kleines Kind. Aber ich bin kein Kind mehr.
    So kamen sie nach Heidelberg. Vor vier Jahren war Harriet-Rose einmal in dieser Stadt gewesen. Bei einem Schülerinnenwettbewerb im Zeichnen hatte sie einen Preis gewonnen. Eine Neckarfahrt. Sie sollte wunderschön werden … aber als man sah, daß sie ein Mischlingskind war, schien man enttäuscht zu sein.
    »Wo wohnst du?« fragte Harriet-Rose. »Komm, einen Koffer kann ich auch tragen.«
    »Laß nur. Ich rufe eine Taxe. Sie sind ja nicht schwer.« Marianne schleppte die Koffer zu einem Taxenstand. Einige Amerikaner gingen über den Bahnhofsplatz, barhäuptig, mit kurzgeschnittenen Haaren. Sie sangen und schaukelten den gläsernen Türen des Bahnhofes zu. Auch ein Neger war unter ihnen. Während er sang, blitzten zwischen seinen wulstigen Lippen die Zähne.
    Harriet-Rose hielt Marianne fest, die in den Wagen steigen wollte. Mit beiden Armen zeigte sie auf den Negersoldaten.
    »Sag … sah mein Vater auch so aus?«
    Der Taxichauffeur grinste breit. Marianne wurde rot und zog Rose am Mantel zum Wagen.
    »Nein«, sagte sie schnell. »Ganz anders.«
    »Aber so ähnlich.«
    »Komm, steig ein.«
    Rose blieb auf der Straße stehen, bis die amerikanischen Soldaten im Bahnhof verschwunden waren. Erst dann stieg sie ein.
    »Wohin die Damen?« fragte der Chauffeur und grinste weiter.
    »Fortbachstraße 11.«
    »Nicht zur Kaserne?«
    »Nein!« schrie Marianne.
    »Man kann ja mal fragen.« Der Chauffeur sah über den inneren Rückspiegel zu Rose. »Man kann ja mal denken.«
    »Meine Mutter ist keine Dirne«, sagte Rose hart.
    Mit einem Ruck fuhr der Wagen an. Marianne fiel zur Seite auf Rose und umklammerte ihre Schulter.
    »Hast … hast du eben Mutter gesagt?« Ihre Stimme ertrank.
    Harriet-Rose starrte durch die Scheibe auf die leeren, fahl beleuchteten Straßen. Merkwürdig, dachte sie, ich habe wirklich Mutter gesagt. Es war auf einmal da.
    Sie schwieg. Seufzend zog sich Marianne zurück und starrte auf der anderen Seite gegen die vorbeijagenden Häuserwände. Harriet-Rose musterte sie aus den Augenwinkeln.
    Ich werde

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