Die braune Rose
überhaupt – was ist denn?«
»Ich habe doch jetzt das Kind, Herr Direktor.«
»Stimmt ja! Ihr Kind.« Schumacher ging um den Schreibtisch herum und setzte sich wieder. Er brannte sich eine Zigarre an und winkte mit ihr Marianne, auch Platz zu nehmen. Aber sie blieb stehen. »Sie haben es mitgebracht?«
»Ja.«
»Natürlich. Überhaupt, Koeberle … das mit dem Kind. Wir waren baß erstaunt. Wie alt ist es noch mal?«
»Sechzehn.«
»Wie heißt es denn?«
»Harriet-Rose.«
»Soso. Harriet-Rose. Ein ungebräuchlicher Name.«
»Der Vater hieß Harry.«
»Ach so. Und es bleibt bei Ihnen?« Schumacher tippte die Asche von seiner Zigarre. »Das Mädel ist doch mit sechzehn Jahren groß genug, ein paar Tage zu Hause zu bleiben. Drei Tage Paris … dann sind wir wieder in Heidelberg. Oder können Sie Ihre Tochter nicht alleinlassen?«
»Doch. Aber ich möchte es nicht. Ich habe ihr sechzehn Jahre gestohlen … soll ich ihr die ersten Tage bei der Mutter auch schon wieder nehmen?«
»Hm«, sagte Arnold Schumacher. Das ist ein Problem, dachte er. Meine gute, treue Koeberle wird jetzt nicht mehr ausschließlich für den Betrieb leben, sondern für ihr Kind. Das ist ihr gutes Recht … aber ein Schlag für mich ist's doch. Er sortierte die Post vor ihm auseinander und sog schmatzend an seiner Zigarre. »Wir werden einen Modus finden, Koeberle«, sagte er schließlich. »Im Leben spielt sich alles ein und wird nachher Gewohnheit. Wo ist denn Ihre Tochter jetzt?«
»Nebenan, Herr Direktor.«
»Was? In Ihrem Zimmer? Das finde ich nett.« Schumacher klopfte auf den Tisch. »Sie wollen sie mir vorstellen? Holen Sie sie 'rein, Koeberle!«
»Sofort, Herr Direktor. Ich hätte nur noch eine Frage –« Marianne zögerte. Schumacher winkte mit der Zigarre ab.
»Ich weiß, ich weiß. Eine Stellung in unserem Haus. Aber natürlich findet sich etwas. Wenn Ihre – wie heißt sie –«
»Harriet-Rose.«
»– Ihre Harriet-Rose so wird wie Sie, Koeberle … es würde mich freuen.«
Marianne beugte sich über den Sprechapparat und drückte auf eine Taste. Im Nebenraum flammte das rote Birnchen auf. Harriet-Rose zuckte vom Stuhl hoch und starrte auf die Polstertür. Mit schnellen Fingern ordnete sie ihr Kleid, schob das Band tiefer in die Stirn, zupfte hier und dort und ging dann zur Tür. Sie hatte in diesem Augenblick gar keine Angst mehr. Als Bert Schumacher gegangen war, hinterließ er in ihr ein unbekanntes Gefühl von Geborgenheit und Freude. Es war so nachhaltig, daß sie fast fröhlich durch die Tür ging und in das große Zimmer Schumachers trat.
»Meine Tochter«, sagte Marianne leise.
Arnold Schumacher legte schnell seine Zigarre in den Aschenbecher. Dann verbarg er die Hände auf den Knien, leckte sich über die Lippen und schluckte ein paarmal.
»Das … das ist sie also?« sagte er dann. Seine Stimme klang belegt und rauh.
Plötzlich verstand er, warum Marianne Koeberle nie ein Wort über ihr Kind gesagt hatte. Nicht verstehen konnte er, daß so etwas bei seiner Koeberle möglich gewesen war. Es war ihm, als habe man ihm über seinen schwitzenden Körper einen Eimer kaltes Wasser geschüttet.
»Guten Tag, Herr Schumacher«, sagte Harriet-Rose sanft. Sie lächelte ihn an.
Es war ein Zauber, der zu Schumacher hinüberflog, aber ein Zauber, der ihm eine Gänsehaut über den Rücken trieb.
Wenn das Erika erfährt, dachte er. Die Koeberle mit einem Negerkind! Er kannte Erika nun über zwanzig Jahre, genau dreiundzwanzig Jahre, und wußte um ihre Einstellung. Sie war fähig, ihn so lange zu bedrängen, bis er Marianne Koeberle fristlos auf die Straße setzte. Und er würde es tun, um den häuslichen Frieden zu erhalten. Er wußte es jetzt schon ganz genau.
Mit angezogenem Kinn sah er Harriet-Rose an. Eine braunschwarze Haut, ein weißes Kleid, ein rotes Band um die strähnigen Haare. Er mußte jetzt etwas sagen, spürte er. Man wartete auf Worte von ihm. Er konnte dem Problem nicht mehr ausweichen, indem er schwieg.
»Sieh an!« sagte er in krampfhafter Fröhlichkeit. Er flüchtete sich auf einen Platz, auf dem sich bedrängte Männer seit jeher sicherer fühlten … er versuchte, einen Kalauer anzubringen. »Schwarz-weiß-rot … ein echtes deutsches Kind.«
Marianne legte den Arm um Roses Schulter und führte sie aus dem Zimmer. »Bitte, warte hier auf mich«, hörte Schumacher sie sagen. Dann kam sie zurück und schloß die Polstertür. In ihren Augen stand blanker Trotz und ein wilder
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