Die braune Rose
fliegen muß, ist immer gut gelaunt. Anscheinend liegt das an der Vorfreude auf die Kunstschätze von Paris.
Die Post lag, in Gruppen geordnet, bereits auf seinem Schreibtisch. Auch die Zeitungen waren aufgeschlagen und so gefaltet, daß der Börsenteil nach oben zeigte.
»Die Koeberle ist wieder da«, sagte Arnold Schumacher zufrieden. Eine solche Postordnung gab es nur bei ihr. Sie wird mit nach Paris fliegen … und sie wird sich tatsächlich um die Kunstschätze kümmern und mir von ihnen erzählen, dachte er. Erika ist immer verblüfft, wieviel historisches Wissen ich von den Reisen mitbringe.
Schumacher schob die Post zur Seite und drückte auf den Knopf seiner Haussprechanlage.
»Koeberle, Sie sind wieder da. Kommen Sie gleich 'rüber. Es liegt allerhand in der Luft.«
»Sofort, Herr Direktor.« Marianne drückte die Antworttaste wieder hoch, das Knarren erlosch.
Neben ihr stand Harriet-Rose. Sie trug ein weißes Kleid. Dadurch wirkte ihre Hautfarbe noch dunkler; der Kontrast war fast hart. Um ihr strähniges Haar hatte sie ein rotes Samtband geschlungen. Wie ein blutiger Reifen sah es aus.
Marianne zeigte auf eine kleine Birne auf der Schaltfläche des Sprechgerätes.
»Wenn dieses Birnchen rot aufleuchtet, kommst du 'rein. Und hab keine Angst. Herr Schumacher ist ein netter Mann.«
»Muß das sein, Mutti?«
»Ja. Ich habe ihm gesagt, daß ich eine Tochter habe.«
»Du hast mich vor ihm nicht verleugnet?«
»Nein.«
Ich lüge, dachte Marianne. Ich habe es ihm erst gesagt, als Rose weggelaufen ist. Sie kam sich schäbig und wie eine Diebin vor.
Mit etwas steifen Knien ging Marianne zu Arnold Schumacher.
Durch die dicken Polstertüren klang kein Laut. Im Nebenzimmer hörte Harriet-Rose sprechen. Zweimal öffnete sich die Tür, ein Mann sah herein, sah den Platz Marianne Koeberles leer, betrachtete erstaunt das braune Mädchen und verschwand. Dann schellte das Telefon. Rose wußte nicht, ob sie den Hörer aufnehmen sollte oder nicht. Sie tat es nicht. Nach einigen Sekunden hörte das Läuten auf. Dann kam wieder ein Mann ins Zimmer. Er sah sich um, nickte ihr zu und zeigte auf die dicke Polstertür zu Arnold Schumachers Zimmer.
»Frau Koeberle ist drin?«
»Ja.«
»Sie warten auch auf sie?«
»Ja.«
»Schon lange?«
»Nein.«
»Wenn mein Vater einmal im Zug ist, kann's lange dauern. Sagen Sie doch bitte Frau Koeberle, daß ich hier war. Ich muß sie noch sprechen.«
»Ja.« Harriet-Rose nickte. »Wer sind Sie?« – »Ach so, Verzeihung. Bert Schumacher. Stud. med. und Sohn des Hauses.« Er lachte jungenhaft. Rose musterte ihn. Er hatte blonde Locken und ein sonniges Gesicht. Wenn er lachte, zeigten sich Grübchen in beiden Wangen. »Sie sprechen aber gut Deutsch«, sagte Bert Schumacher.
Die Miene Roses verfinsterte sich. »Ich bin Deutsche«, antwortete sie hart.
»Verzeihung.« Bert Schumacher war verlegen. Er begriff, daß er etwas Dummes gesagt hatte. »Ich konnte ja nicht ahnen –« Er schwieg, denn wieder war es etwas Unüberlegtes. Harriet-Rose versuchte ein Lächeln.
»Nein, das konnten Sie nicht ahnen.«
Er versuchte, zurückzulächeln und fingerte linkisch an seiner Krawatte. Dann starrte er auf das blutrote Band um den schwarzhaarigen Kopf und wußte nicht mehr, was er sagen sollte. Mit einer knappen Verbeugung verabschiedete er sich und verließ schnell das Zimmer. Im Flur blieb er vor der Tür stehen und zündete sich nervös eine Zigarette an. Wo mag sie herkommen, dachte er. Was will sie von Papa? Und welch ein merkwürdiger Reiz liegt über diesem Mädchen. Einen Blick hat sie, der das Atmen plötzlich schwermacht.
Nachdenklich ging er den langen Flur hinunter und stellte sich an seinem Ende an das große Fenster zum Hof. Unten luden sie neue Möbelgestelle aus. Couches, Sessel, Rohtische, Liegen.
Er wollte warten, bis sie wieder aus dem Zimmer kam. Warum, das wußte er nicht. Auch nicht, was er tun sollte, wenn sie aus dem Zimmer kam. Er mußte eben warten.
Unterdessen war Arnold Schumacher mit ausgestreckten Händen auf Marianne zugegangen.
»Gut, daß Sie wieder da sind, Koeberle! Wir fahren nach Paris! Morgen schon. Bestellen Sie wieder die Zimmer in unserem kleinen Hotel am Place Vendôme und –«
»Können Sie nicht jemand anders mitnehmen, Herr Direktor?« fragte Marianne. Schumacher blieb betroffen stehen.
»Aber Koeberle! Paris! Ihr geliebtes Paris! Und wer soll mir von den neuen Ausstellungen erzählen, die ich für meine Frau besucht habe? Und
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