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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»So! Da bleibst du!« sagte er laut. »Wenn du dich bewegst, fällt der Tisch um.«
    »Du läßt mich 'runter!« schrie Mami und wedelte mit beiden Armen, als falle sie bereits. »Bob! Du hebst mich sofort herunter!«
    »Harriet-Rose ist mein Kind. Dein Enkelkind. Eine Großmami, die ihr Enkelkind beleidigt, ist nicht wert, daß man sie ansieht. Ich gehe.«
    Er wandte sich ab. Mami versuchte, vom Tisch zu rutschen. Aber ihr massiger, unbeweglicher Körper verhinderte derartige Akrobatik. So blieb ihr nichts übrig, als wieder hell zu kreischen und zu schreien: »Er läßt seine Mami stürzen. Er läßt sie das Genick brechen. O welch ein Sohn! Welch ein Sohn!«
    Shirer kehrte um. Er blieb vor ihr stehen und sah sie trotzig an.
    »Ich verkaufe, Mami.«
    »Nein!« Sie bewegte sich wieder. »Und wenn ich das Genick breche – nein!«
    »Du bist eine halsstarrige, alte böse Frau«, sagte Shirer hart. »Wie kommt es, daß ich erst jetzt erkenne, welch eine Mam ich habe? Ich schäme mich.«
    »Sieh in den Spiegel und schäm dich dann!« schrie Mami. »Ein Riesenschaf sieht dich an.« Sie wagte es und rutschte nach vorn. Der Tisch gab nach, das Gleichgewicht wurde verlagert … aber er fiel nicht um, sondern Mami rutschte wie auf einer Rutschbahn sachte nach vorn und kam mit den Füßen auf die Steine. Dort stemmte sie sich dagegen und richtete sich auf.
    »Aha!« rief sie. »Alt bin ich, denkst du? Wenn du schon an Krücken gehst, jage ich die Leute noch vor mir her.«
    Shirer war gewillt, dies zu glauben. Er kratzte sich den Kopf und setzte sich wieder in einen der Terrassensessel. Mami lehnte an der Hauswand und atmete wie ein Blasebalg. In ihrer mächtigen Brust pfiff und röchelte es.
    »Du weißt, daß mir zwanzig Prozent gehören«, sagte sie endlich.
    »Ja.«
    »Ich gebe sie nicht her. Und ohne mich kannst du nicht verkaufen.«
    »Mami.«
    »Schluß! Wir essen jetzt. Ich will mir das Hähnchen nicht verderben lassen. Ich will nicht verkaufen, und ich werde jeden, der hier erscheint, wegjagen. Und ich hole mir einen Advokaten gegen meinen eigenen Sohn, jawohl, das tue ich. Willst du gegen deine eigene Mami einen Prozeß führen, he? Ich reiße dir die Haare aus, du Idiot!«
    An diesem Nachmittag tat Shirer etwas, was er seit Beginn seiner Boxerlaufbahn nie und nur ein paarmal als Soldat in Europa getan hatte, um es dann bei der Rückkehr nach Alabama wieder aufzugeben: Er betrank sich. Er kam am Abend nach Hause. Zwei Männer brachten ihn herbeigeschleppt und legten ihn Mami vor die Füße. »Da!« sagten sie, bekamen jeder einen Dollar Trinkgeld und gingen wieder.
    Shirer sah schrecklich aus. Er mußte mehrmals auf das Gesicht gefallen sein. Über Stirn, Nase und Kinn zogen dicke Blutbänder, die linke Wangenhaut war aufgeschabt und verkrustet. Auch die Handflächen waren ein Gemisch von Blut und Dreck.
    Mami holte einen Eimer Wasser und wusch ihn. Dann ließ sie ihn in der Diele liegen, denn er war zu schwer, daß sie ihn ins Bett schleifen konnte. Die Hausmädchen schliefen schon, und außerdem war es Mami nicht recht, wenn sie den Herrn so sahen. Sie warf seinen Mantel über den langgestreckten Körper, löschte das Licht und ging zu Bett.
    Aber sie konnte nicht einschlafen. Nach einer Stunde stand sie wieder auf, warf den Bademantel über und schlurfte zurück zur Diele. Shirer lag noch immer so auf der Erde, wie sie ihn verlassen hatte. Nur der Mantel war heruntergefallen, weil er sich ein paarmal bewegt hatte. Er schlief mit offenem Mund und schnarchte schauerlich. Seine Wunden hatten wieder frisch geblutet und waren dann verkrustet.
    Mami ließ sich ächzend auf die Knie nieder und begann, seine Taschen zu untersuchen. Sie fand Dollars und Taschentücher, ein Messer, ein Feuerzeug, ein Stück Bindfaden, einen runden Spiegel, ein Stück Zeitung mit einer Annonce, in der ein Mann irgend etwas suchte, wo er Geld anlegen könne, ein Portemonnaie und eine Rechnung von der Hucky-Bar. In der Brieftasche leerte sie alle Fächer. Dort fand sie endlich, was sie suchte: Die Adresse von Marianne Koeberle und eine Visitenkarte, auf der stand: Eduard Koeberle, Stadtrat der Stadt Würzburg. Dahinter, in schwungvoller Schrift: »My friend Harry Bob Shirer from Eduard Koeberle.« Das war ein schauriges Englisch, aber Mami verstand den Sinn sofort.
    Sie nahm die beiden Adressen an sich und watschelte damit in ihr Zimmer. Lange saß sie da und starrte auf die Anschrift: Marianne Koeberle, Heidelberg, Fortbachstraße 11.
    Das

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