Die braune Rose
ist sie, dachte sie voll Haß und mütterlicher Qual. Ihretwegen will mein Bob sein Leben verkaufen. Weil sie weiß ist, weil sie hübsch ist, weil sie keine Vorurteile kannte. Weil er sie liebt, eben, weil sie einen weißen, schlanken Körper hat, eine so reine, helle Haut, die für ihn ist wie Opium, die ihn umnebelt, sein Gehirn zerstört und ihn innerlich aushöhlt.
Mami ballte die Fäuste und nickte mehrmals. Man muß es tun, sagte sie zu sich. Ich bin verpflichtet, es zu tun. Ich bin seine Mami, die einzige, die jetzt noch denken kann.
In dieser Nacht schrieb Mami Shirer zwei Briefe nach Old Germany. Einen an Marianne Koeberle und einen an den ›friend‹ Eduard Koeberle.
Im ersten schrieb sie grob: »Laß die Hände von Harry Bob! Wenn er Deinetwegen verkauft und Du kommst zu uns, bringe ich Dich um, auch wenn ich in die Gaskammer muß. Ich gehe gern dahin, wenn ich Harry vor Dir schützen kann.«
An Eduard Koeberle schrieb sie: »Wenn Sie sein Freund sind, so schützen Sie Harry vor diesem Weib in Ihrem Land! Tun Sie einer alten Mutter diesen letzten Gefallen ihres Lebens. Gehen Sie zu ihr hin und sagen Sie ihr, daß ich sie umbringe, wenn sie kommt. Harry war so glücklich, bis er das alles entdeckte … jetzt ist er verrückt. Helfen Sie einer alten Mami, auch wenn sie nur eine Negermami ist.«
Nachdem sie diese Briefe geschrieben hatte, in mühevoller Arbeit und mit großen, klobigen Buchstaben, so wie sie es gelernt hatte auf der Sonntagsschule bei Reverend Gibbs, schlurfte sie zurück zu Shirer, schob die Brieftasche wieder in seinen Rock, deckte ihn zu und ging ins Bett.
*
Oben an der Straße, von der der Privatweg zu dem kleinen Bungalow in den Neckarauen abgeht, hielt Bert Schumacher den Wagen an und stellte ihn an die Seite. Arnold Schumacher sah hinab auf das rote Dach über den weißen Mauern. Der Kamin rauchte schwach. Es war bei diesem Regenwetter kühl am Fluß.
»Was willst du sagen, Junge?« fragte er. »Was hast du überhaupt vor?«
»Bitte, warte hier, Paps.« Bert stieg aus und schlug den Mantelkragen hoch. »Es wird nicht lange dauern.« Er warf die Autotür zu. Als er zurückblickte, sah er seinen Vater, wie er das Gesicht gegen die nasse Scheibe drückte und ihm nachstarrte. Ein alter Mann ohne Hoffnung, fast wie ein Bettler, der am Straßenrand gewunken hatte und mitgenommen worden war.
Harriet-Rose war nicht zu Hause. Sie machte eine Schulungsstunde im Kaufhaus Globus und lernte einige Schritte auf dem Laufsteg. Marianne war erstaunt, als er mit triefenden Haaren vor der Tür stand. Sie hatte an diesem Nachmittag frei, weil beide Chefs verreist waren zu auswärtigen Terminen. Die übliche Routinearbeit verrichtete die Kanzlei.
»Es ist gut, daß Harriet nicht hier ist«, sagte Bert und rieb sich mit dem Handtuch, das ihm Marianne gab, die Haare trocken. »Das erspart uns viele Auseinandersetzungen.«
»Wieso Auseinandersetzungen?« Marianne warf das nasse Handtuch auf einen Stuhl. »Ist etwas passiert? Du siehst irgendwie verändert aus, Bert.«
Bert Schumacher schüttelte den Kopf. »Ich weiß, daß es schwer sein wird, mich zu verstehen.« Er ging in das große Wohnzimmer und wanderte unruhig hin und her. Marianne blieb in der Tür stehen. Sie spürte, daß etwas auf sie zukam, was das kurze Glück, in das sie jetzt gekommen waren, wieder zerstörte. Sie hatte, ohne es sich merken zu lassen, fast auf diese Stunde gewartet. Es war ihr unwahrscheinlich erschienen, daß plötzlich alles Kämpfen aufhörte und eitel Glück über Harriet und sie fiel wie Gold aus dem Himmel der Märchen.
»Was verstehe ich nicht?« sagte sie, als Bert nicht gleich weitersprach.
»Meine Handlungsweise. Du wirst sie nicht verstehen als Mutter … aber du wirst sie verstehen, wenn ich sage: Nun hören Sie mal, Koeberle –«
»Was ist mit deinem Vater, Bert?« fragte Marianne leise.
»Die Firma steht vor dem Konkurs.«
»Nein!«
»Pachtner sperrt die Lieferungen der Furniere. Andere Lieferfirmen, die das wissen, nutzen die Notlage aus und bieten zu einem Preis an, der völlig sinnlos ist. Vater kann nur noch kurze Zeit das Lager aufarbeiten … dann müssen wir den Betrieb einstellen. Mit anderen Worten: Die Firma Schumacher wird von den Zulieferbetrieben auf kaltem Wege und mit einer unangreifbaren Eleganz bestreikt.«
»Ich verstehe.« Marianne senkte den Kopf. Ihre Worte waren ein tonloses Luftholen. Bert Schumacher preßte die Fäuste gegen die schmerzende Brust.
»Als Koeberle
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