Die Braut aus den Highlands
sie darauf bestanden, den Knappen noch vor dem Essen in Augenschein zu nehmen, wenn Una ihr nicht gerade berichtet hätte, was er sich vergangene Nacht erlaubt hatte. Doch nun ⦠Um ehrlich zu sein, fühlte sie sich ein wenig unbehaglich und peinlich berührt von Godfrey, und sie wusste nicht so recht, wie sie ihm begegnen sollte. Das Verhalten, das Una ihr geschildert hatte, sah dem Jungen so gar nicht ähnlich â¦
Wohl weil sie so sehr dagegen ansah, zu Godfrey zu gehen, kam es ihr so vor, als sei das Mahl im Nu beendet. Unangenehme Dinge schienen schneller in Sichtweite zu geraten als angenehme, dachte sie verstimmt, während sie sich entschuldigte, um nach dem Kranken zu schauen. Sie hoffte verzweifelt, dass der Bursche tief schlummern möge und es ihr vorerst erspart bliebe, ihn für sein angebliches Verhalten letzte Nacht zur Rechenschaft zu ziehen. Früher oder später würde sie ihn sich vornehmen und ihm einschärfen müssen, dass er die Mägde gefälligst in Frieden zu lassen habe, doch würde sie dies lieber später statt früher tun. Leider schlief Godfrey nicht, als sie unter die Wagenplane lugte. Er war nämlich gar nicht da. Mit einem missmutigen Zug um den Mund drehte sie sich um und schaute suchend zu den Männern hinüber, die um das Feuer saÃen, als sie hinter sich ein verhaltenes Husten hörte. Sie erstarrte und nahm das Wageninnere erneut in Augenschein. Immer noch leer.
Gerade wollte sie sich abwenden, da vernahm sie erneut ein Husten. Weil sie dieses Mal alle Sinne dem Wagen zugewandt hatte, bemerkte sie, dass der Laut nicht etwa von der Ladefläche kam, sondern seinen Ursprung darunter hatte. Stirnrunzelnd kniete sie sich nieder, um einen Blick unter den Wagen zu werfen, und riss die Augen auf, als sie Godfrey dort bibbernd in eine dünne Decke gewickelt vorfand.
âGodfrey, was tust du denn da unten?â, fragte sie ärgerlich. âWie kannst du nur auf der feuchten Erde schlafen, das macht doch alles nur noch schlimmer!â
Unter der Decke drang ein leises Seufzen hervor, bevor der Knappe den Kopf herausstreckte und sie anblinzelte. Merry sah die Scham auf seinem Gesicht, und Mitgefühl überkam sie, noch ehe er ein Wort gesagt hatte. Er sah aus, als wäre er bei etwas ganz und gar Unanständigem ertappt worden und sei nun zutiefst zerknirscht.
âEs geht mir gut hier, Myladyâ, versicherte er. Ihre Sorge wuchs, als sie ihn sprechen hörte. Für gewöhnlich hatte der Junge eine hohe, etwas krächzende Stimme, aber nun klang er so heiser, dass es nur noch eine Frage der Zeit schien, bis seine wunde Kehle gar nicht mehr zum Sprechen taugen würde. âDer Karren schützt mich vor dem Regen und â¦â
âNein, das genügt nicht, Godfreyâ, fiel Merry ihm bestimmt ins Wort. âDu musst sofort da weg und in den Wagen. Wenn du dir weiterhin keine Mühe gibst, deiner Erkältung den Garaus zu machen, wird sie stattdessen dir den Garaus machen.â
Ein Moment des Schweigens verstrich. âIch kann nichtâ, flüsterte der Junge dann.
âWas kannst du nicht?â, bohrte sie nach. SchlieÃlich übermannte sie die Besorgnis, und sie bückte sich und kroch zu ihm unter den Wagen. Als sie die Hand auf seine Stirn legte, spürte sie Hitze. âBist du zu schwach, um dich zu bewegen? Soll ich einen der Männer herbeirufen, damit â¦?â
â Nay , Myladyâ, stieà er hervor und seufzte. âIch kann unmöglich heute Nacht im Wagen schlafen. Una würde mich gewiss im Schlaf umbringen für mein Betragen letzte Nacht.â
Merry zögerte. Obgleich sie die Antwort ja bereits kannte, fragte sie: âUnd was hast du letzte Nacht getan?â
âIch â¦â Er stockte. Trotz der Entfernung und des schwachen Lichts im Schatten des Karrens sah Merry, dass er unglücklich schluckte, ehe er sich so weit zusammenriss, dass er fortfahren konnte: âIch erinnere mich nur noch undeutlich, aber ich fürchte, dass ich versucht habe, sie gewaltsam â¦â Seine Stimme erstarb. Er blickte betreten zu Boden und schüttelte nur den Kopf, unfähig, die Worte auszusprechen.
Merry biss sich auf die Lippe, als sie sah, wie niedergeschlagen und angewidert von sich selbst er wirkte. âWas hast du dir nur dabei gedacht, Junge?â, fragte sie leise.
âIch habe überhaupt nicht gedachtâ, gestand er und seufzte
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