Die Braut aus den Highlands
stattdessen dir den Garaus machen.“
Ein Moment des Schweigens verstrich. „Ich kann nicht“, flüsterte der Junge dann.
„Was kannst du nicht?“, bohrte sie nach. Schließlich übermannte sie die Besorgnis, und sie bückte sich und kroch zu ihm unter den Wagen. Als sie die Hand auf seine Stirn legte, spürte sie Hitze. „Bist du zu schwach, um dich zu bewegen? Soll ich einen der Männer herbeirufen, damit …?“
„ Nay , Mylady“, stieß er hervor und seufzte. „Ich kann unmöglich heute Nacht im Wagen schlafen. Una würde mich gewiss im Schlaf umbringen für mein Betragen letzte Nacht.“
Merry zögerte. Obgleich sie die Antwort ja bereits kannte, fragte sie: „Und was hast du letzte Nacht getan?“
„Ich …“ Er stockte. Trotz der Entfernung und des schwachen Lichts im Schatten des Karrens sah Merry, dass er unglücklich schluckte, ehe er sich so weit zusammenriss, dass er fortfahren konnte: „Ich erinnere mich nur noch undeutlich, aber ich fürchte, dass ich versucht habe, sie gewaltsam …“ Seine Stimme erstarb. Er blickte betreten zu Boden und schüttelte nur den Kopf, unfähig, die Worte auszusprechen.
Merry biss sich auf die Lippe, als sie sah, wie niedergeschlagen und angewidert von sich selbst er wirkte. „Was hast du dir nur dabei gedacht, Junge?“, fragte sie leise.
„Ich habe überhaupt nicht gedacht“, gestand er und seufzte bekümmert. „Sonst hätte ich doch niemals … Wirklich, Mylady. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich habe einfach …“ Hilflos verstummte er und schüttelte erneut den Kopf, ein Bild des Jammers.
Merry suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, um die Lage ein wenig zu entspannen, aber sie war aufrichtig ratlos. Plötzlich schaute Godfrey auf. „Würdet … würdet Ihr Una sagen, wie leid es mir tut? Wahrlich, ich hätte sie niemals auch nur angerührt, wenn ich bei Sinnen gewesen wäre.“
Merry schwankte kurz, versucht, ihm die Bürde abzunehmen, seufzte dann indes und sagte: „Ich denke, es wäre besser, wenn du ihr das selbst sagen würdest.“
Er schüttelte heftig den Kopf, das Gesicht vor Entsetzen verzerrt. „Aber sie muss mich hassen! Sie wird mich nicht einmal in ihrer Nähe haben wollen.“
Das Herz ging Merry beinahe über vor Mitgefühl. „Nicht doch“, beschwichtigte sie ihn. „Sie weiß schließlich, dass du krank warst, und wird deine Entschuldigung annehmen.“
„ Aye , das stimmt“, sagte Una. Merry und Godfrey fuhren herum. Die Magd hockte neben dem Wagen und betrachtete sie. Sie musste schon eine ganze Weile gelauscht haben.
„Ich habe gesehen, dass Ihr zu dem Jungen gehen wolltet, um mit ihm zu reden“, erklärte sie an Merry gewandt. „Und ich hielt es für angebracht nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Hätte der Bursche sich wieder benommen, als wäre er nicht bei Trost, und Euch angegriffen, so hätte der Laird ihm sicherlich den dürren Hals umgedreht.“
„Una, bitte, es tut mir leid, wirklich, ich …“, setzte Godfrey an, doch sie brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
„Ich habe alles mit angehört, und dieses eine Mal vergebe ich dir“, erwiderte sie. „Von mir aus kannst du heute Nacht auch mit auf dem Karren schlafen, aber denke daran, wenn du aufdringlich werden solltest, mache ich das stattliche Schwert in deinen Hosen ein paar Zoll kürzer.“
Der Knappe wurde schamesrot, und Merry musste sich auf die Lippe beißen, um bei seinem Anblick nicht zu lachen. Es war kaum vorstellbar, dass er sich an Una vergangen haben sollte, obwohl er nicht einmal über derlei Vorgänge sprechen konnte und Bemerkungen, die auf seine Manneskraft anspielten, wie eine schüchterne Jungfrau aufnahm – die er wahrscheinlich gar noch war. Die ganze Angelegenheit war einfach unerklärlich. Sie hätte ihr Leben darauf verwettet, dass Godfrey im Gefolge ihres Gemahls der Letzte wäre, der sich einer Frau aufzwingen würde. Das ergab schlicht keinen Sinn. Und offenbar war Una derselben Ansicht, sonst hätte sie ihm kaum so großherzig vergeben.
„Komm“, forderte Merry ihn seufzend auf. „Der klamme Boden ist nicht das Richtige für dich. Lass uns dafür sorgen, dass du in den Wagen kommst.“
„ Aye , Mylady“, raunte er kaum hörbar, gab seine zusammengerollte Haltung auf und kroch unter dem Gefährt hervor, wobei er die zerschlissene Decke hinter sich herzog.
Merry bedachte den Lumpen mit einem finsteren Blick, während Godfrey sich neben dem Wagen aufrichtete und streckte, und sah von
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