Die Braut aus den Highlands
Knappe bei ihnen im Zelt schlief. Und sobald er Godfrey wieder hier ablieferte, würde sie diesem kräftig einheizen, weil er ihre Worte einfach in den Wind geschlagen hatte und davongelaufen war. Niemand auf Stewart hätte je gewagt, sich ihr auf diese Weise zu widersetzen, und auch auf d’Aumesbery würde sie ein solch aufmüpfiges Gebaren nicht dulden. Der geordnete Tagesablauf, ja gar die Sicherheit der Burg und ihrer Bewohner hingen davon ab, dass alle Lord und Lady Respekt und Gehorsam entgegenbrachten. Merry wusste, dass sie noch immer eine Fremde war und sich den Respekt erst verdienen musste, doch auf den Gehorsam würde sie nicht warten.
Sie schritt im Zelt auf und ab und wurde zunehmend wütender, je länger sie im Stillen durchging, was sie dem Knappen sagen sollte. Merry wies nur ungern irgendwen zurecht, doch besonders schwer fiel es ihr gegenüber Menschen, die sie mochte, und Godfrey zählte dazu. Er schien ihr ein anständiger Bursche zu sein – nun, einmal abgesehen davon, dass er ihr nicht gehorchte. Sie brütete noch immer über die Angelegenheit nach, als das Rascheln der Plane ankündigte, dass jemand eintrat. Erwartungsvoll wandte Merry sich um. Als sie sah, dass ihr Gemahl allein war, runzelte sie die Stirn. „Wo ist Godfrey?“
„Ich habe ihn schlafen geschickt.“
Merry schaute ihn verstimmt an. „Ich habe ihm gesagt, er solle hier im Zelt schlafen mit …“
„Ich weiß“, fiel Alex ihr lächelnd ins Wort. „Doch diese Aussicht schien ihm nicht zu behagen, also habe ich ihn angewiesen, sich zusammen mit Una hinten auf dem Wagen einzurichten.“
Ihre Miene hellte sich auf. Das hatte sie ganz vergessen. Dabei hatte Una ihr doch erzählt, dass die Männer die Plane, die tagsüber die Ladung bedeckte, des Abends über den hinteren Teil des Karrens warfen, damit sie eine Art Zelt für sich allein hatte. Ohne all die Gerätschaften sollte die Ladefläche sowohl Una als auch Godfrey bequem Platz bieten.
Sie merkte, dass Alex auf eine Erwiderung wartete, und nickte. „Das war eine hervorragende Idee“, räumte sie ruhiger ein.
„Er hat mir auch gestanden, dass er Eure Anweisung missachtet hat und einfach hinausgestürmt ist, nachdem Ihr ihm befohlen hattet, sich hinzulegen und zu schlafen. Ich habe ihn dafür jedoch nicht getadelt“, sagte er, und als sie sich straffte, fuhr er fort: „Euer Geheiß widersprach dem meinen.“
Merry machte aus ihrer Verwirrung keinen Hehl, und so erklärte Alex: „Ich habe ihn geschickt, die Salbe von Euch zu holen. Um Euch zu gehorchen, hätte er meinen Befehl missachten müssen, und um mir zu gehorchen, den Euren. Der Junge saß in einer rechten Zwickmühle.“
„Ja, Ihr habt recht“, gestand Merry seufzend, als ihr aufging, wie wahr seine Worte waren. „Ich nehme an, der Wagen ist ebenso gut wie das Zelt. Zumindest ist er so aus dem Regen heraus.“
„ Aye “, bekräftigte er, nahm sie bei der Hand und zog sie näher. „Und so ist er mir auch nicht im Wege.“
Merrys Augen weiteten sich, ehe sie die Lider schloss, als Alex den Kopf neigte und sie küsste. Der Kuss begann zärtlich und ein wenig zaghaft, wurde jedoch rasch leidenschaftlicher. Gegenseitig halfen sie sich, ihre Kleider abzustreifen, und dabei dachte Merry, dass Arm und Kopf Alex weit weniger zu plagen schienen, als sie befürchtet hatte … und dass es in der Tat nicht allzu bedauerlich war, dass der Junge nicht bei ihnen im Zelt war.
9. KAPITEL
„Und wo soll dies hier hin?“
Merry, die gerade die Felle ausbreitete, richtete sich auf und sah stirnrunzelnd zu Una hinüber. Sie war schon seit dem Aufstehen mürrisch. Selbst als sie endlich die Grenze überquert und wieder in ihrer schottischen Heimat waren, hatte sich Unas Laune nicht gehoben, und allmählich war Merry des Griesgrams überdrüssig. Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Stoffbeutel, den Una hielt, und sie seufzte verhalten. Wenn sich ihre Stimmung schon nicht dadurch besserte, dass sie sich wieder auf schottischem Boden befand, würde eine Rüge dies erst recht nicht bewirken.
„Leg es bitte dort auf die Truhe, Una“, erwiderte Merry in ruhigem, freundlichem Ton. Als die Magd das Säckchen jedoch achtlos auf die Kiste warf, brach sich die Verärgerung Bahn. Sie presste die Lippen zusammen. „Vorsicht damit, Una. Du weißt doch, dass meine Heilmittel darin sind.“
Obwohl die Zurechtweisung milde gewesen war, blickte Una verdrießlich drein. Immerhin ging sie zur Truhe, um nachzuschauen, ob der
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