Die Braut aus den Highlands
sie ungerührt fort. „Er lallte und war schwerfällig wie ein Ochse, dabei aber trotzdem hart und brünstig.“ Sie verzog das Gesicht. „Ganz gewiss war er nicht er selbst, soviel steht fest.“
Merry sann noch über das Gehörte nach, als einer der Krieger kam, um ihnen mitzuteilen, dass das Nachtmahl bereitet sei, falls sie sich zum Essen zu den anderen gesellen wollten. Sie murmelte einen Dank und folgte Una aus dem Zelt, doch innerlich war sie bei Godfrey. Es fiel ihr schwer sich vorzustellen, dass der Junge sich derart schlecht benommen haben sollte, doch andererseits war sie sicher, dass Una etwas so Ungeheuerliches nicht erfinden würde. Merry wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Als sie das Feuer erreichten, erhob sich Alex und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Merry brachte mühsam ein Lächeln zu Stande, doch ihr Blick irrte über die Gesichter der Versammelten auf der Suche nach dem Jungen, der sie so beschäftigte. „Wo ist Godfrey?“
„Ich habe ihn zum Schlafen auf den Wagen geschickt, sobald wir gehalten haben. Es scheint ihm heute schlechter zu gehen als gestern, und er braucht Ruhe.“
Merry sah seine bekümmerte Miene und wusste, dass es Godfrey wirklich miserabel gehen musste, wenn Alex derart besorgt war. Sie zauderte kurz, ehe sie vorschlug: „Vielleicht sollte ich nach ihm sehen.“
„Nachdem Ihr gegessen habt“, erwiderte Alex bestimmt. „Ich möchte, dass Ihr Acht gebt auf Euch, damit Ihr nicht auch noch krank werdet.“
Merry zögerte nur noch einen Moment, ehe sie nickte und sich neben ihrem Mann niederließ. Wahrscheinlich hätte sie darauf bestanden, den Knappen noch vor dem Essen in Augenschein zu nehmen, wenn Una ihr nicht gerade berichtet hätte, was er sich vergangene Nacht erlaubt hatte. Doch nun … Um ehrlich zu sein, fühlte sie sich ein wenig unbehaglich und peinlich berührt von Godfrey, und sie wusste nicht so recht, wie sie ihm begegnen sollte. Das Verhalten, das Una ihr geschildert hatte, sah dem Jungen so gar nicht ähnlich …
Wohl weil sie so sehr dagegen ansah, zu Godfrey zu gehen, kam es ihr so vor, als sei das Mahl im Nu beendet. Unangenehme Dinge schienen schneller in Sichtweite zu geraten als angenehme, dachte sie verstimmt, während sie sich entschuldigte, um nach dem Kranken zu schauen. Sie hoffte verzweifelt, dass der Bursche tief schlummern möge und es ihr vorerst erspart bliebe, ihn für sein angebliches Verhalten letzte Nacht zur Rechenschaft zu ziehen. Früher oder später würde sie ihn sich vornehmen und ihm einschärfen müssen, dass er die Mägde gefälligst in Frieden zu lassen habe, doch würde sie dies lieber später statt früher tun. Leider schlief Godfrey nicht, als sie unter die Wagenplane lugte. Er war nämlich gar nicht da. Mit einem missmutigen Zug um den Mund drehte sie sich um und schaute suchend zu den Männern hinüber, die um das Feuer saßen, als sie hinter sich ein verhaltenes Husten hörte. Sie erstarrte und nahm das Wageninnere erneut in Augenschein. Immer noch leer.
Gerade wollte sie sich abwenden, da vernahm sie erneut ein Husten. Weil sie dieses Mal alle Sinne dem Wagen zugewandt hatte, bemerkte sie, dass der Laut nicht etwa von der Ladefläche kam, sondern seinen Ursprung darunter hatte. Stirnrunzelnd kniete sie sich nieder, um einen Blick unter den Wagen zu werfen, und riss die Augen auf, als sie Godfrey dort bibbernd in eine dünne Decke gewickelt vorfand.
„Godfrey, was tust du denn da unten?“, fragte sie ärgerlich. „Wie kannst du nur auf der feuchten Erde schlafen, das macht doch alles nur noch schlimmer!“
Unter der Decke drang ein leises Seufzen hervor, bevor der Knappe den Kopf herausstreckte und sie anblinzelte. Merry sah die Scham auf seinem Gesicht, und Mitgefühl überkam sie, noch ehe er ein Wort gesagt hatte. Er sah aus, als wäre er bei etwas ganz und gar Unanständigem ertappt worden und sei nun zutiefst zerknirscht.
„Es geht mir gut hier, Mylady“, versicherte er. Ihre Sorge wuchs, als sie ihn sprechen hörte. Für gewöhnlich hatte der Junge eine hohe, etwas krächzende Stimme, aber nun klang er so heiser, dass es nur noch eine Frage der Zeit schien, bis seine wunde Kehle gar nicht mehr zum Sprechen taugen würde. „Der Karren schützt mich vor dem Regen und …“
„Nein, das genügt nicht, Godfrey“, fiel Merry ihm bestimmt ins Wort. „Du musst sofort da weg und in den Wagen. Wenn du dir weiterhin keine Mühe gibst, deiner Erkältung den Garaus zu machen, wird sie
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