Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Verstandesleistung anging, jenseits von Gut und Böse. Es lief darauf hinaus, dass die einzigen verlässlichen Männer in Bandinis Gruppe die waren, denen er nicht trauen durfte. Bandini wandte den Blick erst ab, als Pietros Augen abdrifteten. Seine verstümmelte Hand zuckte.
Dann erschien der Kardinal weiter vorn in der Biegung der Straße, wo sie um den Schilfwald bog, und winkte ihnen zu. Die Banditen atmeten auf und packten ihre Waffen weg. Pietro und Buonarotti blickten Bandini an; sie senkten ihre eigenen Waffen keinen Zoll – so wenig wie Bandini selbst. Er schnalzte mit der Zunge und ritt an die Spitze der Truppe.
Der Kardinal saß mit hängenden Schultern im Sattel. Er war bleich. Der Regen lief ihm über das Gesicht. Die Straße machte einen weiteren Bogen; sie schlängelte sich in ziellosen Kurven und folgte dem Zickzack der trockenen Stellen in diesem wie ein Schwamm vollgesogenen Landstück. Etwas wie ein kleines schmutziges Bündel lag auf der Straße – Bandini beugte sich beim Vorbeireiten hinunter: ein Hund. Die abgebrochenen Stummel von zwei Armbrustbolzen ragten aus seinem schmächtigen Körper. Bandini schaute immer noch zu dem getöteten Tier, als er um die nächste Kurve bog. Dann warnte ihn sein Instinkt, nach vorn zu blicken.
Er sah ein gutes Dutzend Leute auf der Straße stehen, Niccolò und T. G. , die abgestiegen waren, zwischen ihnen. Dann sah er, dass die Leute allesamt Männer waren und dass Niccolò und T. G. jeweils von zweien von ihnen festgehalten wurden, während ein dritter ihnen ein Messer an die Kehle hielt.
Bandini brauchte weniger lang, um die Situation zu erfassen, als Niccolò benötigte, um ein dämlich-entschuldigendes Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern; er riss sein Pferd herum und machte den Mund auf, um »Zurück, alles zurück!« zu schreien. Der Befehl wurde nie erteilt.
Hinter ihnen trat ein weiteres Dutzend Männer aus ihrem Versteck im Schilfdickicht und hob Armbrüste, Bogen und Gewehre. Bandini sah sofort die beiden Schützen, die auf den Kardinal zielten und wahrscheinlich die ganze Zeit auf ihn gezielt hatten.
Sie waren in eine Falle gelockt worden.
Der Kardinal zuckte verlegen mit den Schultern und rollte mit den Augen zu den Männern hin, die ihn bedrohten. Die Florentiner warfen sich entsetzte Blicke zu und fluchten. Sie ließen ihre Pferde sich auf der Stelle drehen und rempelten sich gegenseitig an. Pietro Trovatore und Buonarotti senkten ihre Waffen und wechselten einen Seitenblick. Während ein Teil von Bandini vor Schreck und Wut gleichermaßen erstarrte, heftete der andere einen genaueren Blick auf die Bewaffnung der Schützen.
»Arschloch«, sagte er verächtlich zum Kardinal. »Die Lunten brennen nicht mal.«
Einer der beiden Männer, die auf den Kardinal zielten, musterte ihn, dann schwenkte er schweigend den Lauf seiner Waffe herum, zielte und drückte ab. Der Körper des toten kleinen Hundes auf der Straße sprang in einer Fontäne aus Wasser, Schmutz und Fleischfetzen in die Höhe und schleuderte ein paar Schritt weit davon. Die Florentiner waren mucksmäuschenstill. Ihre Gesichter bestanden aus Augen und Mündern und nicht viel mehr. Pietro und Buonarotti unterschieden sich nicht von ihnen. Bandini hatte den Verdacht, dass dies auch auf ihn selbst zutraf.
Der Schütze begann mit flinken Bewegungen sein Gewehr nachzuladen, ohne Bandini auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Er vollführte alle Handgriffe blind. Es bedurfte nicht mehr dieser Demonstration, um zu beweisen, dass es sich bei ihm und seinen Kumpanen nicht um Bauern handelte, die zufällig zu Waffen gekommen waren. Am Oberarm des Schützen baumelte ein schwarzes Band.
Als der niemals in seiner Umsicht nachlassende Profi in Bandini unbewusst bis dreißig gezählt hatte, war das Gewehr wieder feuerbereit. Es brannte immer noch keine Lunte, doch Bandini war überzeugt, dass der nächste Schuss ebenso losgehen würde wie der erste. Der Lauf des Gewehres zielte jetzt auf ihn.
Bandini hängte seine Armbrust an den Sattelhaken und hob langsam beide Hände.
Niemand brauchte Antonio Bandini zu sagen, dass seines und das Leben seiner Männer an einem Faden hingen, gegen den die sprichwörtliche Seide ein Schiffstau gewesen wäre. Dass es die Schwarze Schar war, die das Dorf angezündet hatte und in deren Hände sie gefallen waren, stand außer Zweifel. Seine Gedanken rasten, während man sie vorwärtstrieb, doch sie rasten in geordneten, kühlen Bahnen, und während sein
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