Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
können, wenn alle ruhig und vernünftig geblieben wären.
»Wenn alles gut geht, sitzen die Kerle in einer Stunde angebunden unter den Bäumen, und wir sind auf der anderen Seite, um ein Dutzend Pferde reicher und in Sicherheit. Sobald wir drüben sind, verliert auch Konrad von Landau die Spur.«
»Du könntest Francesco Giallo nach Hause schicken«, schlug Lorenzo vor. »Die Pferde sind mindestens so viel wert wie er. Und ohne ihn hätte dein Plan nicht funktioniert.«
»Ein kleines Dankeschön dafür, dass wir alle den Rest unserer Tage glücklich und in Frieden leben?«
Lorenzo dachte an Magdalena. Er konnte an Cortos Gesicht sehen, dass die Gedanken sich in seiner Miene widergespiegelt hatten. Corto sah zu Boden. Überrascht erkannte Lorenzo, dass er den Mann zum ersten Mal unsicher erlebte.
»Ihr könnt mich ja mal besuchen, ihr zwei«, sagte Corto nach einer Weile. »Ich setze euch umsonst über.«
»Vielleicht wollen wir gar nicht über den Fluss?« Lorenzo hörte seine eigene Stimme scheppern.
»Jeder steht irgendwann mal am Ufer eines Flusses, um ihn zu überqueren, und ist froh, wenn ein freundlicher Fährmann ihm dabei hilft.«
»Wenn’s so weit ist …«, sagte Lorenzo. Corto blickte auf. Für ein paar Momente trafen sich ihre Blicke, Cortos indigofarbene und Lorenzos dunkelblaue Augen. Wenn ich Magdalenas Fähigkeit hätte, in dich hineinzusehen, dachte Lorenzo, dann wäre es mir in diesem Augenblick möglich. Selbst so spürte er, dass Corto keine Schutzwälle errichtet hatte. Was er in den Augen des kahlköpfigen Mannes sah, war dessen reines, unverstelltes Selbst. Sie brachen den Blickkontakt ab, beide beinahe verlegen über das, was sie in den Augen des anderen gelesen hatten. Eine Rohrdommel gluckte in ihrer Nähe. Da sämtliche Vögel des Schilfwaldes schon gestern geflohen waren, konnte es nur Enrico sein, der sie warnte.
»Sie kommen«, sagte Corto.
Lorenzo schob die Schilfblätter beiseite und sah hinaus.
Kapitel 44.
P ietro saß neben seinem Pferd im Gras unterhalb der Dammkrone, weit genug weg von den letzten Ausläufern des Wäldchens, um von dort weder gesehen noch angegriffen werden zu können. Er spielte mit einem langen Grashalm, den er um die Finger wickelte, wieder löste und erneut wickelte. Sein Gesicht war starr. Buonarotti schnürte in gebückter Haltung nicht weit davon entfernt durch das Gras, sein verunstaltetes Gesicht nahe am Boden, und sammelte Kräuter. Bandini fragte sich, wie er sie im frühen Morgendämmer erkennen konnte. Die Luft war klamm und kühl. An den Morgen merkt man es zuerst, wenn der Sommer vorüber ist, dachte er.
Pietro blickte Bandini nicht an, als dieser ihn keuchend erreichte und auf ihn hinuntersah.
»Wir sind nicht mehr Ihre Männer, Bandini«, sagte Pietro. »Bei so etwas machen wir nicht mit.«
»Ich konnte nicht verhindern, dass einer von den Kerlen gestern Abend noch zurückreitet und die Schwarze Schar auf dem schnellsten Weg durch die Nacht hierherführt.«
»Sie konnten alles verhindern. Sie waren der patron .«
Bandini versuchte den Umstand, dass Pietro sich bislang geweigert hatte, ihn patron zu nennen, nicht zu werten; ebenso wenig wie Pietros besondere Betonung des Titels. »Ich bin immer noch der patron .«
Pietro schüttelte den Kopf. Er deutete auf die Grasebene vor dem Schilfwald hinunter, die abgesehen von den Leichen der gestern Getöteten völlig menschenleer war. » Er ist jetzt der patron. Sie sind gar nichts, sonst hätte er sie unten bei sich behalten und nicht einfach wegreiten lassen. Alles, wozu Sie und wir gut waren, war, Lorenzo und seine Gruppe so lange aufzuhalten, bis er seine Mörderbande herangeführt hatte.«
Bandini erwiderte nichts, weil er wusste, dass Pietro recht hatte. Er versuchte, nach der Wut zu greifen, die er die ganzen letzten Tage über verspürt hatte, doch sie war nicht mehr da. Stattdessen erfüllte ihn Trauer.
»Ich konnte nicht anders handeln als so, wie ich es getan habe«, hörte er sich sagen und wusste, dass es das erste Mal war, dass diese Worte ihm über die Lippen kamen. Sie waren nichts weiter als eine Rechtfertigung, und dazu noch eine, die nichts taugte.
»Doch«, sagte Pietro. »Sie hatten bis gestern Abend Gelegenheit dazu. Sie hätten diese widerliche Jagd auf die armen Teufel aufhalten können, die vor uns davonliefen. Sie hätten mit Lorenzo Kontakt aufnehmen und verhandeln und erfahren können, wie sich alles wirklich zugetragen hat, anstatt ihn einfach zu belagern,
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