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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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komplett den Rücken zuwandte. Sie schien zu zögern, dann schlich sie in die Dunkelheit. Francesco nahm an, dass sie ihre Notdurft verrichten wollte, doch dann stellte er fest, dass sie in die Richtung huschte, in die Verruca verschwunden war. Sein Geist war noch damit beschäftigt, alle Implikationen dieser Beobachtung zu verarbeiten und mit der Tatsache abzugleichen, dass ein normaler Mensch für das, wonach es tatsächlich aussah, in ihrer momentanen Situation zu viel Angst hätte haben müssen, als Corto sein nervtötendes Summen wieder aufnahm.
    Francescos Körper spannte sich, als sein verkrampftes Gedärm eine neue Blähung aufbaute. Er bemühte sich, seinen mittlerweile steinhart gewordenen Schließmuskel anzuspannen, doch er machte das gleiche winselnde Geräusch wie die anderen Male. Der Geruch stieg ihm in die Nase, dünn und lächerlich und schon verweht. Corto neigte den Kopf und horchte. Francesco gab einen wenig überzeugenden Schnarchton von sich, verschluckte sich und musste husten und klang nun doch wie ein Schläfer, dem im Traum etwas in den Hals geraten war. Corto blieb in seiner lauschenden Haltung, bis Francesco wieder Luft bekam und mit unregelmäßigen Schnarchlauten den Eindruck zu erwecken versuchte, wieder eingeschlafen zu sein.
    Dann begann er erneut zu summen.
    In all seiner Angst verspürte Francesco Giallo Hass auf dieses Summen.
    Eine endlose Zeit später – tatsächlich keine fünfzig Schnarchlaute, hätte Francesco sie gezählt – stand Corto auf und streckte sich. Er kam zu Francesco herüber. Dieser kniff die Augen zu und schnarchte um sein Leben. Corto stupste ihn mit dem Fuß in den Hintern. Francescos Herz wirbelte vor Angst, während jemand in seiner Kehle sich aufmachte, den Großvater aller Bäume umzusägen. Corto grunzte, wandte sich ab und ging davon. Francesco blinzelte.
    Dann vergaß er zu schnarchen, weil er beobachtete, wie Corto vorsichtig über ein paar Körper stieg und sich bei Clarice Tintori niederkauerte. Er rüttelte sie sanft an der Schulter. Sie fuhr hoch. Er legte den Finger auf die Lippen. Francesco konnte nicht sehen, ob sie lächelte oder entsetzt war, aber er sah, dass Corto sie an der Hand nahm, hochzog und mit sich führte, aus dem Kreis der Schläfer heraus und mit leisen, vorsichtigen Schritten in die Dunkelheit hinein. Schon waren sie verschwunden. Francesco versuchte mit der Beobachtung fertig zu werden, dass irgendwo in der nebelgetrübten Finsternis dieses Stückchen Waldes zwei Paare einander in den Armen lagen und sich Nacht und Kälte gegenseitig vertrieben, sowie mit der Tatsache, dass Corto seinen Posten verlassen hatte und sie unbewacht waren.
    »Fick dich ins Grab, Corto«, flüsterte Georg Vogler. Francesco fuhr herum und sah in die funkelnden Augen des Raubtiers. Der Mann hatte keine Sekunde lang geschlafen. »He, Giallo, gilt das noch mit der Belohnung für deine Befreiung?«
    Francesco nickte bestürzt.
    Vogler hob ihm die gefesselten Hände entgegen und grinste ihn auffordernd an.

Kapitel 42.
    Z wei Gestalten huschten durch die tintenfarbene Finsternis. Der Nebel gab genügend Streulicht von den auf ihn herabscheinenden Sternen und dem Mond ab, sodass die beiden Männer halbwegs sahen, wohin sie traten. Sie trieften vor Nässe; sie waren einmal von dem Weg abgekommen, der sie trockenen Fußes aus dem Schilfwald hätte führen sollen. Einer von ihnen lief lautlos, der andere keuchte und winselte und stöhnte, und ab und zu entfuhr ihm ein anderer Ton, der dem einer ängstlichen kleinen Flöte ähnelte. Sie waren zwei Schatten in der Dunkelheit, zwei Waldtiere auf der Flucht über die große Ebene, zwei Seelen auf dem Weg über ein mit den Knochen unzähliger früherer Generationen gedüngtes und den Körpern der derzeitigen Generation bedecktes Land …
    »O mein Gott, o mein Gott, hier liegt ein Toter!«
    »Halt’s Maul, du Trottel. Steh auf und komm weiter.«
    Die Schatten hasteten weiter. Ihre Spuren waren wie ein dunkler Strich in der grauen Nässe des Grases. Der vordere der beiden wurde plötzlich langsamer und lauschte. Als er herumfuhr, war es bereits zu spät. Weitere Schatten erhoben sich um sie herum, Dutzende von ihnen. Sie waren umzingelt. Der vordere Schatten hob die Arme über den Kopf, der hintere Schatten sank wimmernd auf die Knie.
    Eine Gestalt, die womöglich noch dunkler war als alle anderen, trat nach vorn und musterte die beiden Ankömmlinge.
    »Der verlorene Sohn kehrt zurück«, sagte eine Stimme. Der

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