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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ausgegangen, und sie waren zerstritten. Dennoch nahmen sie Jerusalem ein. Weil Gott es so gewollt hat? Blödsinn.«
    Der Schimmel machte einen langen Hals und näherte sich mit der Oberlippe den Körnern auf Cortos Handfläche. Corto zog die Hand zurück, woraufhin der Schimmel einen vorsichtigen Schritt auf Corto zu machte.
    »Weißt du, warum die Kreuzfahrer Jerusalem eingenommen haben? Weil sie die Stärkeren waren. Sie waren zwar zahlenmäßig unterlegen, aber was bedeutet das schon? Ich habe gehört, Löwen greifen ganze Büffelherden an – sie sind ein halbes Dutzend, und die Büffel sind ein halbes Tausend. Und die Löwen gewinnen. Weil auch sie die Stärkeren sind. Auf die Anzahl kommt es nicht an. Und auf Gottes Willen erst recht nicht. Der Sieg gehört dem Starken, und solange er stark bleibt, wird er weiterhin siegen. Danach unterliegt er; oder wenn er auf einen Stärkeren trifft.«
    Der Schimmel naschte die Haferkörner aus Cortos Hand. Corto trat so nahe an ihn heran, dass er die Zügel fassen konnte. Der Schimmel schnaubte und ließ es geschehen. Corto zog den Zügel nach unten, und der Schimmel senkte den stolzen Kopf. Corto klopfte ihm auf den Hals.
    »Wenn er unterliegt, muss er sich damit abfinden. So ist es eben«, sagte Corto. »Schau uns an, dich und mich. Ich bin der Stärkere. Du bist größer und schneller als ich, aber ich bin der Stärkere. Ich habe gesiegt, und jetzt gehörst du mir. Braves Pferd.«
    Der Schimmel senkte den Kopf erneut und schnupperte an Cortos Füßen herum, dann begann er wieder, Gras zu rupfen. Cortos Hand am Zügel schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Corto musterte das Tier, das aufwendige Zaumzeug, den Sattel, der aussah, als hätte der, der darauf zu sitzen pflegte, Ahnung von dem, was er tat. Die Steigbügel waren eher kurz geschnallt, sodass der Reiter mit angezogenen Beinen sitzen musste – keine Haltung, um fest im Sattel zu bleiben, aber im Galopp war man sicher schneller als die anderen. Corto grinste und wand den Stiefel heraus, der im rechten Steigbügel hing. Man war schneller, aber man konnte auch leichter herunterfallen – was zu beweisen war. Er schnupperte an dem Stiefel, stellte fest, dass er getragen worden war, und ließ ihn auf den Boden fallen. Er packte den Sattelrand und rüttelte probehalber an ihm. Das Ding saß fest. Der Idiot, dem das Pferd gehörte, musste tatsächlich aus dem Sattel gefallen sein. Wahrscheinlich hinkte er ein paar Meilen entfernt auf der Straße heran in der Hoffnung, sowohl seinen Gaul als auch seinen Stiefel unversehrt wiederzufinden. Nun, da hatte er sich verrechnet. Und Gott würde ihm auch nicht helfen. Gott hasste Idioten, die dumm genug waren, beim Reiten aus dem Sattel zu fallen.
    Corto schob den linken Fuß in den Steigbügel. Das Pferd wandte sich um und beobachtete ihn. Corto lächelte ihm zu. Er verlagerte das Gewicht auf den Fuß im Steigbügel. Das Pferd wandte sich wieder dem Grasen zu. Corto schwang das rechte Bein über den Sattel und setzte sich hin. Er hielt den Atem an.
    Der Schimmel rupfte ein Grasbüschel aus, schüttelte es, wie um es vom Dreck zu befreien, und begann zu kauen.
    Corto atmete aus. Er schob den rechten Fuß in den Steigbügel. Er flickte mit den Zügeln und schnalzte mit der Zunge.
    Und das Pferd explodierte.
    Im einen Augenblick war es noch ein scheinbar sanftmütiges Tier gewesen, das sich der Willenskraft seines neuen Herrn gebeugt hatte; zwei weitere Augenblicke später befand es sich schon im gestreckten Galopp und hielt auf den alten, knorrigen Obstbaum zu, so schnell, dass ein Pfeil wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wäre, es einzuholen. Corto hing auf seinem Rücken wie etwas, das aus Versehen von irgendwoher darauf-gefallen war und sich von dieser Position innerhalb kürzester Zeit wieder verabschieden würde, bevorzugt vermittels eines kurzen Fluges durch die Abendluft. Die Hufe des Schimmels trommelten auf den Boden und rissen ganze Händevoll trockener Erde heraus. Über dem Getrommel, das selbst den entfernt auf der Straße ungläubig zuschauenden Männern das Zwerchfell erbeben ließ, erhob sich ein Schreien wie ein uaaaaah ! …, das nur von Corto stammen konnte. Eine Kappe flatterte davon und entblößte Cortos kahlen Schädel. Der Schimmel jagte mit gerecktem Hals, geblähten Nüstern und geblecktem Gebiss auf das Gebüsch zu, die Zügel, die Corto losgelassen hatte, schlugen ihm um die Ohren, ohne dass er sich davon beirren ließ. Corto krallte sich an

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