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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Richtung wie zuvor. »Scheiße«, sagte der Mann.
    Schließlich errang der menschliche Intellekt Oberhand über die Kreatur, und Fabio blieb allein zurück. Er musterte die Umgebung, die friedvoller nicht hätte daliegen können. In einiger Entfernung war ein niedriges Gebüsch, nicht groß genug für einen Hinterhalt; ein Obstbaum stand daneben, der so alt war, dass er keinerlei Früchte mehr trug und seine Äste knorrig und missgelaunt nach allen Seiten ausstreckte. Wieder eine kleine Strecke weiter standen mehrere Bäume beisammen, kaum weniger alt als der einsame Methusalem auf seinem Wachtposten. Wahrscheinlich hatte es hier irgendwann ein Gehöft gegeben; typischerweise waren die einzigen Spuren, die von diesem menschlichen Trachten geblieben waren, jene, die die Natur hinterlassen hatte. Unter der ehemaligen Obstplantage gediehen Brennnessel, niedriger Holunder und Kirschlorbeer. Der Grauschimmel witterte, dann machte er sich gemütlich auf in Richtung auf den einsamen Baum. Fabio hielt den Atem an, aber das Tier stoppte nach wenigen Schritten und begann erneut zu äsen – ein Connaisseur, wenn es je einen gegeben hatte.
    Corto kündigte sich mit langsamem Hufschlag an. Er saß hinter Fabios Begleiter auf der Kruppe des Pferdes. Als die zwei Männer bei Fabio angekommen waren, glitt Corto vom Rücken des Gauls und spähte zu dem Grauschimmel hinüber. Der tat, als habe er nichts von der Ankunft seines prospektiven neuen Herrn mitbekommen.
    »Tja«, sagte Corto nach einiger Zeit. Er kratzte sich am Kinn und dann unter seiner Kappe. »Da läuft der Gegenwert von zwanzig Kühen herum und hofft auf eine neue Heimat. Deus lo vult .«
    »Wie willst du es einfangen, Corto?«
    Corto tippte sich an die Schläfe. »Mit Verstand.«
    »Mein Vater würde sagen: Nimm lieber einen Strick.«
    »Deines Vaters Rat bezüglich Stricken kann mir gestohlen bleiben. Wenn er nicht schon vor Jahren heruntergefallen wäre, hinge er immer noch an dem Strick, den sie ihm um den Hals gewunden haben, als sie ihn mit zwei Hühnern unterm Hemd im Stall entdeckten.«
    »Mein Vater hatte Angst vor Hühnern. Und er ist ruhig im Bett gestorben«, erklärte Fabio.
    »Wenn es nur mal seines gewesen wäre«, sagte Corto. Er zwinkerte Fabio zu. Wer genau hinhörte, erkannte, dass das Geplänkel zwischen den beiden Männern wohleingeübt war und keinerlei Feindseligkeit enthielt.
    Fabio holte Haferkörner aus einer Tasche. Er streute sie Corto in die Handfläche. Fabios Pferd wandte den Kopf und versuchte, die Leckerbissen zu erhaschen. Corto zog die Hand zu schnell weg und verstreute die meisten Körner auf dem Boden. Das Pferd reckte den Hals danach, und Fabio wäre beinahe nach vorn aus dem Sattel gefallen.
    »Ich weiß schon, warum ich die längste Zeit meines Lebens zu Fuß gelaufen bin«, brummte er. »Wir sollten die alte Marschordnung wieder aufnehmen und die Gäule an den Wagen binden.«
    »Die neue Marschordnung ist sicherer«, sagte Corto. »Auf diesen Straßen soll sich noch schlimmeres Gesindel herumtreiben, als du in deiner Verwandtschaft hast.«
    »Mein einziger Verwandter, der noch am Leben ist, bist du, geehrter Vetter.«
    »Da kannst du mal sehen«, erwiderte Corto. »Ohne die Pferde kämt ihr und Giulielmo niemals schnell genug zum Haupttrupp zurück, wenn was passiert. Und jetzt nehmen wir den gut aussehenden jungen Mann dort drüben unter unsere Fittiche.«
    Er sammelte so viele Körner auf, wie er aus dem Staub der Straße picken konnte, und bewegte sich langsam auf den Grauschimmel zu. Dieser hatte sich beim Grasen ein hübsches Stück entfernt und stand jetzt etwa in der Mitte zwischen der Straße und dem knorrigen alten Obstbaum. Der Hengst äugte zu Corto, der vorsichtig herankam und beruhigend murmelte, und wandte sich dann wieder dem Gras zu. In seiner Gelassenheit lag etwas Provokantes. Corto kniff die Augen zusammen.
    »Deus lo vult« , murmelte er. »Kennst du das, du Klepper? Das haben die Kreuzfahrer gerufen, als sie die Mauern von Jerusalem erstürmten. Sie dachten, Gott sei mit ihnen und Gott habe es gewollt, dass sie Jerusalem befreiten. Soll ich dir was sagen? Die Burschen dachten völlig falsch.«
    Corto streckte die Hand mit den Haferkörnern aus. Der Schimmel schaute auf und schüttelte seine Mähne. Er schien zu schnuppern.
    »Mhm«, machte Corto und lächelte. » Das ist die Stimme des Herrn, nicht wahr? Die Kreuzfahrer hätten verlieren müssen – sie waren zu wenige, der Proviant war ihnen schon lange

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