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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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folgte, tausend Schritte später, ein einzelner, ebenfalls berittener Mann. Diese Vorhut war zu stark auseinandergezogen, um sie gemeinsam ausschalten zu können; ignorierte man sie und konzentrierte sich auf den Haupttrupp, musste man stets damit rechnen, dass diese drei Männer umkehrten und einem in den Rücken fielen. Lorenzo, der sich in einen Heuhaufen nicht weit von der Straße entfernt hineingewühlt hatte und die Männer aus dieser feucht-heißen, erstickend duftenden Deckung heraus an sich vorbeiziehen ließ, wurde sich aber auch bewusst, dass der andere Grund für die Gelassenheit seiner Feinde ihre schiere Zahl war. Antonio Bandini hatte von einem Dutzend Männer gesprochen. Der Anführer der Angreifer musste mindestens die Hälfte seiner Truppe als Eingreifreserve irgendwo versteckt gehalten haben. Zusammen mit der Vorhut zählte Lorenzo wenigstens zwei Dutzend Männer, als der Haupttrupp schließlich an ihm vorbeimarschierte, und theoretisch konnten sich unter der Plane des mächtigen Trosswagens der Familie Tintori weitere zehn Männer verbergen. Eine Truppe wie diese erfolgreich anzugreifen erforderte mindestens eine dreifache Übermacht. Das waren weder Gesetzlose, die sich das allgemeine Chaos in Norditalien zunutze machten, um eigene Fischzüge zu begehen – dafür waren sie zu viele und zu organisiert –, noch ein Teil eines der Söldnerheere, die zwischen Genua und Rimini die Straßen unsicher machten; dafür hatten sie es sichtlich zu wenig eilig. Marodierende oder fouragierende Truppenbestandteile waren in der Regel heftig bemüht, mit ihrer Beute so schnell wie möglich wieder zum Hauptheer zu stoßen.
    Zusammen mit den Pferden der Vorhut und den beiden schwergliedrig gebauten Zugtieren des Trosswagens verfügten sie über exakt zehn Gäule. Das bedeutete, dass weniger als die Hälfte der Männer beritten war. Sie marschierten in einer Doppelreihe, weit genug auseinandergezogen, um ein schwieriges Ziel zu bieten, nahe genug beieinander, um sich im Fall eines Angriffs gegenseitig beistehen zu können. Zwei saßen auf dem Kutschbock, zwei fuhren auf den Steigbrettern links und rechts mit. Sie hielten Piken und Äxte; einer der beiden auf dem Kutschbock hatte einen Langbogen quer über seine Knie gelegt.
    Lorenzo atmete den Staub ein, den die Hufe, Räder und Füße aufwirbelten, als sie sein Versteck passierten, und lauschte den Wortfetzen und dem Gelächter. Clarice war nirgends zu erblicken. Er hoffte, dass sie im Inneren des Trosswagens war.
    Noch eines wurde ihm klar, als er sie beobachtete: Sein Plan, sich in der Nacht in das Lager zu schleichen, die Wachen unschädlich zu machen und sich mit Clarice davonzustehlen, war undurchführbar. Sie waren zu viele, und sie waren zu professionell. Lorenzo hatte keine Ahnung, wer die Männer und ihr Anführer waren, aber in das übliche Schema der Galgenvögel, die sich über die norditalienischen Straßen bewegten, passten sie nicht.
    Die Plane des Trosswagens bewegte sich, und Lorenzo beobachtete ungläubig, wie zwei Kinder, Jungen im Alter von vielleicht zehn und zwölf Jahren, herauskletterten, zu Boden sprangen und sich zurückfallen ließen, bis sie sich unter die Männer mischten, die hinter dem Wagen hergingen. Die Marschkolonne teilte sich und integrierte sie, bis man sie von außen nur noch erblicken konnte, wenn man wusste, dass sie da waren. Lorenzo sah die meisten der Männer grinsen. Jemand streckte den Kopf aus dem Wagen und schien vor Entsetzen beinahe herauszufallen, als er die Kinder nirgends erblicken konnte. Der Mann kletterte hektisch nach draußen, sah sich suchend um und versuchte schließlich, in die Marschkolonne einzudringen. Die Marschkolonne schloss sich enger zusammen. Gelächter wurde hörbar. Der Mann wurde abgewiesen, stolperte an den Rand der Straße und sprang dort wie ein dicklicher Gaukler mit begrenztem akrobatischen Programm auf und ab, um über die Köpfe der Marschierenden hinwegsehen zu können. Lorenzo erspähte die beiden Jungen plötzlich beim Trosswagen; sie mussten sich an der anderen Seite der Marschkolonne herausgeschlichen haben. Rasch kletterten sie hinein, blieben für ein, zwei Augenblicke unsichtbar, dann schlugen sie die Plane beiseite und riefen und winkten dem Mann, der immer noch am Rand der Kolonne auf und ab sprang. Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rannte mit wedelnden Armen zu ihnen; die Männer in der Marschkolonne röhrten vor Lachen.
    Ratlos blieb Lorenzo in seinem

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