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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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tief in der Kehle. Radegundis hielt sie in den Armen und hatte sich unwillkürlich ihren Bewegungen angepasst. Sie lächelte Magdalena an, und ohne in sie hineinsehen zu müssen, erkannte diese allein am Lächeln der Novizin, dass das Pendeln in den nächsten Minuten auch Radegundis in die gellende Panik schaukeln würde, in der Immaculata bereits verloren gegangen war.
    Magdalena schaute zur Straße hinüber. Die Gestalten des Scharführers und des Waffenknechts waren bereits klein und fern und verschwammen mit dem Abenddunst. Plötzlich fühlte sie sich allein. Sie wünschte, sie hätte sich nicht hinreißen lassen, Bruder Girolamo die Stirn zu bieten. Sie wünschte, sie wüsste mit der Situation besser umzugehen und könnte ihre Schwestern bei der Hand nehmen und sanft aus der Erinnerung an das Entsetzen, das sie gesehen hatten, herausleiten. Doch ihr fiel nur der grobe Weg ein. Sie musterte Radegundis und wusste, dass sie nicht mehr lange warten sollte.
    »Ich möchte, dass du heute das Nachtlager richtest«, sagte Magdalena. Als sie keine Reaktion erhielt, fügte sie hinzu: »Drüben bei den Häusern.«
    Radegundis blickte zu ihr hoch. Ihr Lächeln zitterte.
    »Drüben …?«
    »In einem der Gebäude, genauer gesagt. Wir wollen ein Dach über dem Kopf haben.«
    Das Lächeln der Novizin fiel in sich zusammen. Sie versteifte sich, die Pendelbewegung hörte auf, und in ihre Augen trat ein Abscheu, der Magdalena noch mehr ins Herz getroffen hätte, wenn er ihr nicht hundertmal besser erschienen wäre als die Schatten der Panik, die sie zuerst darin gesehen hatte.
    »Aber … die haben sie doch alle in diesen Häusern …«
    »Im Stall nicht«, sagte Magdalena.
    »Was?«
    »Im Stall nicht. Sie haben nur die Tiere rausgetrieben. Im Stall ist niemand ermordet worden.«
    »… aber in den …«
    »Ich betone das nur für den Fall, dass du vor den Seelen der Unglücklichen Angst haben solltest, die hier umgebracht worden sind und die Gott in seiner Gnade bestimmt sofort in sein Reich aufgenommen hat ob der Martern, die sie hier erleiden mussten.«
    Radegundis blinzelte. »Nicht einmal die Heiligen sind sofort in den Himmel …«
    »Wo immer sie sind, hier sind sie nicht mehr.«
    »Ich kann nicht …«
    »Nein? Schade. Dann muss es Schwester Immaculata tun. Schwester Immaculata?«
    Die junge Schwester, die ihr Hin- und Herpendeln eingestellt hatte und stattdessen auf den Boden starrte, die Hände abwechselnd zusammenballend und öffnend, schrak zusammen.
    »Schwester Radegundis braucht deine Hilfe«, sagte Magdalena laut. »Beatrice, hörst du mich?«
    Die junge Schwester nickte und stöhnte. Ihre Blicke zuckten nach oben und irrten sofort wieder ab.
    »Muss ich dich an deine Pflicht erinnern, Schwester?«
    »Was soll ich …«
    »Lass sie in Ruhe, Schwester Magdalena«, erklärte Radegundis. »Ich kann tun, was du mir aufgetragen hast.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Doch.« Radegundis richtete sich trotzig auf. Die Überraschung, die durch Immaculatas Betäubung drang, veranlasste diese dazu, sich ebenfalls zu erheben. Als sie auf den Beinen stand, blickte sie sich verwirrt um.
    »Ich helfe euch«, sagte Magdalena und versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Sie streckte eine Hand aus. »Komm, Schwester Immaculata, unsere Schwester Radegundis braucht Unterstützung.«
    Immaculata nahm Magdalenas Hand wie ein Kind, das fürchtete, von dieser Hand an einen dunklen Ort gezerrt zu werden. Magdalena umfing die kalten, feuchten Finger entschlossen und nötigte die junge Schwester dazu, ein paar Schritte auf sie zuzustolpern. Immaculatas Augen waren weit. Magdalena griff mit der freien Hand nach Radegundis und verschränkte die Hände der beiden jungen Frauen ineinander.
    »Na los«, sagte sie und lächelte schwach. »Heute gibt es kein Nachtmahl. Sehen wir zu, dass wir unser Schlaflager so schnell wie möglich beziehen und schlafen können, bevor der Hunger uns wachzuhalten beginnt.«
    »Ich will nach Hause«, schluchzte Immaculata.
    Ja, dachte Magdalena. Wer möchte das nicht? Sie sah zu, wie die beiden Schwestern Hand in Hand auf die geduckten Gebäude zustapften. Sie wollte ihnen folgen, doch dann sah sie, dass Bruder Girolamo allein abseits im hohen Gras stand und die Straße im Auge behielt. Sie atmete ein, dann ging sie zu ihm.
    An den Schatten unter der Kapuze des Mönchs wurde ihr bewusst, wie sehr das Licht den Tag schon verlassen hatte.
    »Ich möchte dich um Verzeihung bitten, Bruder«, sagte

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