Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
ihre Mitte, und es sah so zufällig aus, dass Lorenzo wusste, Corto hatte es so angeordnet. Es würde ihm nicht gelingen, aus dieser Bedeckung heraus davonzusprengen; abgesehen davon hatte das Schicksal des Kastraten ihm gezeigt, dass er auch dann nicht lebend davonkäme, wenn er den Ring durchbrechen könnte. Corto hatte sich seinen Bogen heraufreichen lassen und hielt die Waffe über den Knien; die Sehne war weiterhin gespannt. Corto hatte ihn aufgenommen, doch das hieß nicht, dass er ihm bereits vertraute. Lorenzo ertappte sich bei dem Gedanken, wie er es anstellen könnte, das Vertrauen des Mannes zu gewinnen und in seiner Achtung zu steigen, und er spürte Entsetzen, wie schnell alte Gewohnheiten wieder zu leben begannen, selbst wenn sie unter gänzlich anderen Voraussetzungen geweckt wurden.
Hinter ihnen blieb der tote Gesangslehrer zurück, schon nach wenigen Dutzend Schritten unsichtbar im hohen Gras, noch nicht einmal von denen betrauert, zu denen er gehört hatte.
Kapitel 14.
G egen Abend war das Problem mit dem Pferd so drastisch geworden, dass selbst der unfähige Niccolò es nicht mehr ignorieren konnte. Bandinis Kopfschmerzen hatten sich so weit gebessert, dass er an seiner Umgebung Anteil nahm, und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Außerdem verfluchte er sich dafür, sich nicht doch durchgesetzt und den kürzeren Weg direkt über die Berge genommen zu haben; wenn er sich darauf verlassen hätte, dass er sich so rasch wie sonst auch von seiner Verletzung erholen würde, wäre ihm dieser Fehler nicht passiert. Aber es hatte sich wirklich so angefühlt, als würde ihm in den nächsten Augenblicken der Kopf von den Schultern rollen.
Nun, Wasser unter der Brücke … Buonarottis famoses Stützgerüst lag irgendwo hinter ihnen im Feld, und jetzt sollte er zusehen, dass er diesen lahmen Haufen schnell genug vor sich hertrieb, um den Zeitverlust wett-zumachen. Zum Beispiel sollte er dafür sorgen, dass das Problem mit dem Pferd behoben wurde.
»Der Gaul ist nicht mehr zu gebrauchen«, sagte Bandini. »Wir müssen ihn auswechseln.«
Niccolò nickte mit säuerlicher Miene. »Das ist Ghirardis Schuld«, brummte er. »Ich habe gleich gesagt, wir sollten Michèle und das Tier zurücklassen, als es in das Loch getreten war und Michèle abgeworfen hatte, aber nein …« Er warf einen zornigen Blick in die Runde, der Bandini bewies, dass Lorenzos Männer und ihr Anführer sich darin einig gewesen waren, Niccolòs Ratschlag nicht zu beachten.
Michèle seufzte. »Ich kann absteigen und nachkommen, wenn es sich erholt hat«, bot er an. »Was soll mir schon hier auf der Pilgerstraße zustoßen?«
»Wir bleiben zusammen«, schnappte Bandini, bevor Niccolò etwas sagen konnte. »Das Pferd wird gewechselt, und wir besorgen gleich noch zwei neue dazu, damit wir wieder allesamt beritten sind.« Er sah Niccolò an und hatte plötzlich eine Eingebung. »Oder was meinst du? Natürlich ist es deine Entscheidung als Anführer.«
Überraschung und Freude über die Schmeichelei spiegelten sich schneller in Niccolòs Gesicht, als dieser es verbergen konnte. »Äh …«, sagte er. Bandini schaffte es, sein freundliches Lächeln beizubehalten. Er tat so, als würde er auf die Antwort dieses Totalversagers warten und sich dann nach ihr richten wollen. »Äh … und mit wessen Geld?«
»Dein Herr hat sicher nicht nur deinem capitano ein Siegel anvertraut.«
»Nein, wir haben beide eines. Aber meines gilt nur, wenn Ghirardi mitsiegelt … ich meine …«
Bandini schluckte seine Zunge hinunter. »Sehr kurzsichtig von deinem Herrn, nur diesem Ghirardi zu vertrauen.«
»Sie haben recht, aber was sollte ich machen?«
»Na gut. Vorwärtskommen müssen wir. Was hältst du davon, wenn ich mit dem Siegel des Hauses Tintori einen Schuldschein abstemple? Dann sollen die Herrschaften es untereinander ausmachen, wer dafür aufkommt, dass ein paar tapfere Männer keine Anstrengung gescheut haben, die Neuigkeiten schnellstens nach Florenz zu bringen.« Er zwinkerte vertraulich. »Na?«
Die Erleichterung war beinahe zu greifen. »Gute Idee.« Dann hatte Niccolò noch die Frechheit, hinzuzufügen: »Ich nehme Ihren Vorschlag an, patron .«
»Freut mich.« Arsch. »Eine weise Entscheidung.« Bandinis Grinsen hätte einem empfindsameren Mann ein Loch in den Mantel gebrannt.
Niccolò sah sich um. »Und wo …?«
»Was hältst du von Bobbio?«
»Genau. Bobbio.«
Niccolò nickte. Bandini nickte mit.
»Wir wechseln Michèles
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