Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Pferd in Bobbio aus und besorgen zwei neue Gäule für Giuliano und den patron «, rief Niccolò. »Das Haus Tintori übernimmt fürs Erste die Sicherheit dafür.« Er sagte es so, als wäre es seine Idee gewesen. Niccolò drehte sich zu Bandini um und lächelte, und das Lächeln sagte Bandini, dass sich die paar Augenblicke dramatischer Selbstverleugnung gelohnt hatten. Niccolò würde ihm von nun an aus der Hand fressen. Bandini lächelte zurück.
»Vor drei Jahren«, sagte Niccolò halblaut und schüttelte den Kopf. Bandini erwartete, dass Niccolò eine Bemerkung anfügte, wie schnell doch die Zeit vergehe oder dass sie sich wie dreißig Jahre angefühlt hätten, aber manche Plattheit war selbst jenseits dieses leuchtenden Beispiels eines Mannsbildes. »Ser Bianchi war auf der Rückreise von Pisa nach Florenz. Er hatte gute Geschäfte gemacht und einen Batzen Geld in der Tasche, als wir ihn wieder nach Hause eskortierten.«
»Wer ist ›wir‹?«, fragte Bandini.
»Pietro Trovatore war dabei, Buonarotti, Maffeo … und ein paar andere, die jetzt nicht mehr bei Ser Bianchi sind.«
»Wer war der capitano? Du?«
»Nein«, stieß Niccolò hervor. »Ich war einer aus der Mannschaft. Ser Bianchi hatte allerdings erkannt, dass ich mehr Verstand habe als die anderen, und mich zu seinem persönlichen Leibwächter ernannt, sodass ich stets neben ihm ritt.«
Wahrscheinlich hielt er dich von deinem capitano fern, damit du ihm nicht dauernd dreinreden konntest, dachte Bandini. Laut sagte er: »Wer war denn nun der Anführer?«
»Der alte Luigi Testanera. Er hatte die rechte Gesichtshälfte ganz schwarz von einer Muskete, bei der das Pulver falsch gemischt war, als er sie abfeuerte, und Sie müssen wissen, dass einem dann das ganze Zeug ins Gesicht fliegt und sich …«
»Kann’s mir vorstellen«, sagte Bandini und unterdrückte den Wunsch, eine Muskete mit falscher Pulvermischung abzufeuern, während Niccolòs Kopf daran festgebunden war.
»… in die Haut einbrennt«, erklärte Niccolò. »Wenn man ihn von der falschen Seite aus ansah, hätte man denken können, er sei ein Mohr. Jedenfalls …« Er stockte, sah sich um, als ob die Gefahr bestünde, dass man sie belauschte, doch die anderen Männer ritten in weitem Abstand vorn, Michèle und Giuliano auf neuen Gäulen. Schließlich beugte er sich zu Bandini hinüber. Seit den Verkaufsverhandlungen für die neuen Pferde in Bobbio, bei denen Niccolò gnädig den Vorschlag Bandinis, diese durch Buonarotti führen zu lassen, angenommen hatte – wer einen Blick für Menschen hatte, hatte auch einen für Pferde, und Buonarotti hatte Bandinis Erwartungen nicht enttäuscht –, übte sich der Schlappschwanz in beinahe kumpelhafter Vertraulichkeit, als wäre der erfolgreiche Rosskauf ein gefährliches Abenteuer gewesen, das sie Seite an Seite überstanden hatten.
»… Sie müssen wissen, Antonio, mein Freund«, sagte Niccolò halblaut, »dass der alte Luigi schon längst hinter den Ofen gehört hätte. Ich will beileibe nichts gegen ihn sagen. Als er ein junger Mann war, zitterte alles Gesindel vor ihm. Er konnte mit Daumen und Zeigefinger eine getrocknete Kastanie aufbrechen, aber damals war er bestimmt schon an die fünfzig, und das ist für die Aufgabe, eine Eskorte für einen reichen Mann zu führen, zu alt. Außerdem hatte er ein böses Knie, sodass er zur falschen Seite hin vom Pferd absteigen musste, weil es sein Gewicht nicht immer trug.« Er seufzte und machte eine Miene, die suggerieren sollte, dass er Ser Bianchi auf Knien angefleht hatte, den alten Luigi Testanera des Kommandos zu entheben. Und Bandini, der die fünfzig knapp überschritten hatte, sagte: »Tja.« Zugleich fragte er sich, ob seine Männer irgendwann einmal von ihm, wenn sie abends am Feuer erzählten, ebenso nachlässig vom alten Antonio Unocchio reden würden anstatt von ihrem patron.
»Kennen Sie die Straße von Pisa nach Florenz?«
»Ja«, log Bandini, um einer langatmigen Ortsbeschreibung zu entgehen. Vergeblich.
»Dann wissen Sie ja, dass es eigentlich zwei Straßen sind. Eine folgt der alten Via Cassia nördlich des Arno über Lucca und Prato nach Florenz, die andere, die Via Francigena, verläuft dicht am Südufer des Arno entlang über San Miniato und Empoli nach Florenz. Die Via Francigena ist kürzer, aber im Sommer und Herbst die Hölle wegen der Mücken und weil sie sich durch die vielen Pfade der Fischer und die Treidelwege fortwährend gabelt und verzweigt und so kaum zu
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